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Schattenseelen Roman

Schattenseelen Roman

Titel: Schattenseelen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
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Stimme bebte. »Seinen Bruder, seine Mutter und … seine Schwester, die gerade ein Kind geboren hat.«

    Evelyn hielt inne. Sprach Hermann Herzhoff von einem bestimmten Nachzehrer?
    Der alte Mann riss sich zusammen und redete weiter: »Irgendwann hat er genug Kraft, den Sarg als Geist zu verlassen. Nun kann er aktiv jagen. Bald hat er genug Lebenskraft gesammelt, um sich zu materialisieren, also einen Körper zu erlangen.«
    »Und falls er wieder stirbt, fängt alles von vorne an. Das Aufwachen im Grab, das Sammeln der Lebensenergie …«
    »Richtig. Einige für uns Menschen tödliche Verletzungen können sie gut wegstecken, vorausgesetzt, sie gelangen schnell genug an Lebenskraft. Bei den anderen wandern sie zunächst in den Sarg.«
    »Wie kann ich so eine Hexe - oder wenn Sie wollen, Gottheit - finden? Kann man sie rufen? Beschwören?«
    Der Mann sprang auf, unglaublich flott für sein Alter. Die Decke rutschte auf den Boden. »Sie stellen seltsame Fragen, junge Dame.«
    »Haben Sie schon eine Mächtige gesehen?«
    Er ruckte auf Evelyn zu, das Gesicht erstarrt wie rissige Erde nach einer langen Dürre. Seine Augen glänzten fiebrig. »Ob ich eine gesehen habe?«, krächzte er. »Ich habe gesehen, wie die Seele eines Mädchens getötet wurde. Wie die Hexe im zierlichen Körper gewütet hatte, wie die Kleine schrie und sich bäumte, wie das unschuldige Ding schallend lachte, alle bespuckte und als Fotzen beschimpfte.« Er redete sich in Rage, winzige Speicheltropfen benetzten seine Lippen. »Ich
habe gesehen, wie die Eltern die Arme mit Laken ans Bett gefesselt, einen Arzt und einen Priester gerufen haben, doch keiner konnte helfen. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu beobachten, wie alles Menschliche aus ihrer Tochter wich und einem Ungeheuer Platz machte. Erst dann ging die Mächtige fort.«
    »Und das Mädchen?«, fragte Evelyn atemlos.
    »Für immer verloren.«
    Er warf ihr einen scharfen Blick zu, sah ihr direkt in die Augen. Dann wich er erschrocken zurück und bekreuzigte sich. »O mein Gott, Sie haben tote Augen! Verlassen Sie sofort mein Haus.«
    »Bitte, sagen Sie mir die Wahrheit! Wie findet man eine Mächtige?« Sie umschloss seine Hände.
    »Aufhören!« Er verengte die Lider. »Lassen Sie mich in Ruhe!«
    »Aber …«
    »Kein Aber.«
    Er wusste, wie man an eine Hexe kam. Noch mehr: Der Professor war einer auf der Spur! Das wollte er ihr verheimlichen. Evelyn fühlte es mit ihrem siebten Sinn, so wie sie manchmal Adriáns Gedanken lesen konnte.
    Ihr Blick geisterte über die Bücher in den Regalen, die sich mit Volksglauben, Mythen und Esoterik beschäftigten. Würde sie hier eine Antwort finden können? Dazwischen stand ein eingerahmtes Foto. Es zeigte einen Strand, eine lachende Frau mit langem dunklem Haar und einen Mann, der sie umarmte.
Evelyn wusste nicht, wie sie zu dem Regal kam - auf einmal hielt sie das Foto in den Händen. Das gleiche Bild hatte sie heute früh gesehen!
    »Adrián«, flüsterte sie. Der Teil, auf dem er zu sehen gewesen wäre, war abgeschnitten.
    »Ich würde ihn töten, wenn ich nur wüsste, wie«, kam es gepresst hinter ihr, so nah, dass Evelyn zusammenzuckte.
    Draußen miaute eine Katze.

9. Kapitel
    Kilian saß im Schneidersitz auf dem Boden, die Lider, die immer schwerer wurden, geschlossen und den Rücken kerzengerade durchgedrückt. Seine Hände ruhten auf den Knien. Im Geiste forschte er nach den Einzelheiten seiner Vision. Wie, zum Henker, sollte er diesen Supermarkt finden, in dem die schwangere Frau überfallen werden würde? In Hamburg und Umgebung gab es sicher Hunderte davon.
    Das Kätzchen schmiegte sich an seinen nackten Fuß und kitzelte die Sohle mit der Schwanzspitze. Er schob das Tier beiseite, doch es kehrte hartnäckig zurück, um an Kilians großem Zeh zu nagen.
    Er biss sich auf die Unterlippe, um nicht loszukichern. »Hey, der ist keine tote Maus, obwohl er womöglich so riecht.«
    Er zwang sich, an seine Mission zu denken, nur an sie allein. Verschwommen eilten die Bilder der Vision an seinem geistigen Auge vorbei. Die Ausstattung des Supermarktes erinnerte ihn an einen Discounter, und auf dem Griff des Einkaufswagens, den die Schwangere vor sich hergeschoben hatte, war ein Logo aufgezeichnet. Er konzentrierte sich darauf, bis er den
Namen identifizieren konnte. Na toll. Von der Sorte gab es etliche in Hamburg. Er brauchte weitere Hinweise, und zwar schnell. Die Zeit lief ihm davon. Je mehr er trödelte, desto weniger Überlebenschancen

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