Schattenspäher
Seelie-Spione und wurden von Titania entsandt, um Mabs Einfluss in Annwn zu untergraben. Gute Annwni-Männer zu töten war indes nie Teil unseres Plans.«
»Es liegt mir fern, Eure friedlichen Absichten in Frage zu stellen ...«, sagte Wenathn grinsend. Er stand auf und bedeutete den beiden Gefangenen, sich ebenfalls zu erheben. »... und doch habt Ihr sie getötet, und das brachte Euch in eine recht missliche Lage.«
»Warum übergebt Ihr uns nicht den Unseelie?«, schlug Silberdun vor.
»Ja, warum eigentlich nicht. Gewiss würde man mich dafür auszeichnen. Und das werde ich wahrscheinlich auch tun, es sei denn ...« Wenathn machte eine Kunstpause, schien sich dann eines Besseren zu besinnen.
»Die Lage in Annwn ist äußerst kompliziert«, fuhr er fort. »Die Unseelie walten hier eher als unsere Unterstützer, denn als Eroberer. Und um das zu bewahren, was ein Zyniker vielleicht den Anschein von Autonomie nennen würde, ist es uns Annwni gestattet, unsere Angelegenheiten bis zu einem gewissen Grad ohne direkte Unseelie-Einmischung zu regeln. Und wenn sie sich doch einmischen, muss es eine Sache von außerordentlicher Wichtigkeit sein.
Vor zwei Tagen hat der Unseelie-Prokonsul den Wachen eine Anweisung zukommen lassen. Darin heißt es, man solle Ausschau halten nach zwei Aalhändlern, deren Beschreibung genau auf Euch passt, und dass man Euch beobachten und erst dann festnehmen solle, wenn Ihr Anstalten macht, Blut von Arawn wieder zu verlassen.«
Sie waren an die Gegenseite verraten worden? Aber durch wen? Von Aranquet, dem Botschafter in Mag Mell? Er schien der wahrscheinlichste Kandidat.
»Unglücklicherweise hat jedoch gestern eine Frau den Wachen in meinem Distrikt zwei verdächtige Unseelie-Männer gemeldet. Begierig darauf, die Belohnung einzustreichen, die ich selbst auf diese Männer ausgesetzt hatte, stürmte ein Dutzend meiner Wachen das betreffende Mietshaus und provozierte damit eine folgenschwere Auseinandersetzung, die einigen meiner Leute das Leben kostete. Und die dazu führte, dass das gesamte Gebäude ein Raub der Flammen wurde. Um es kurz zu machen: Die Sache war ein einziges Debakel, und es hat große Mühen gekostet, dass nichts davon an die Öffentlichkeit gelangte.«
Silberdun begann zu verstehen. Wenathn befand sich in einer verzwickten Lage. Wenn er seine Gefangenen dem Prokonsul übergab, würde man ihn dafür belohnen, dass er zwei Seelie-Spione geschnappt hatte. Aber er würde auch von seinen Vorgesetzten dafür zur Rechenschaft gezogen werden, dass der Einsatz so viele Leben gekostet hatte. Wenathn suchte einen Ausweg aus dem Dilemma, wenngleich die in Aussicht stehende Belohnung den Rüffel, den er womöglich einzustecken hatte, mit Sicherheit aufwog. Was also war sein Problem?
Dann traf ihn die Erkenntnis wie ein Blitz. Wahlen. Die Magistratswahlen standen noch in diesem Jahr an. Die Landbesitzer des Kollws würden ihre Stimme abgeben, und Wenathn wollte sichergehen, dass sie ihn wiederwählten.
»Wenn die Umstände, die zu unserer Verhaftung führten, öffentlich gemacht würden«, sagte Silberdun, »könnte sich ein politischer Gegner dies zunutze machen, um Euch in ein schlechtes Licht zu rücken.«
»Solche Dinge geschehen durchaus«, sagte Wenathn.
»Erlaubt mir, ein mögliches Szenario zu entwerfen, Magister Wenathn.«
»Nur zu.«
»Angenommen, Ihr hättet herausgefunden, dass wir die sind, für die Ihr uns gehalten habt: berüchtigte Spione von Regina Titania. Uns zu fassen würde ohne Zweifel von Euren Unseelie-Protektoren sehr begrüßt werden.«
»Ohne Zweifel«, sagte Wenathn.
»Nehmen wir weiterhin an, Ihr nehmt uns daraufhin in Haft. Es ist wohl davon auszugehen, dass eine kleine Abordnung von Unseelie-Offizieren uns aus Eurem Gefängnis abholen und in die Stadt Mab überführen würde, wo man uns den Prozess macht. Und im Verlauf dieses Prozesses könnten alle möglichen Dinge ans Licht kommen, darunter solche, die niemand hier im Raum öffentlich erörtert sehen möchte. Richtig?«
Wenathn legte die Stirn in Falten. »Richtig.«
»Lasst uns noch weiter gehen«, sagte Silberdun, »auch wenn wir uns nun auf das Feld wildester Spekulationen begeben. Nehmen wir also an, dass der ein oder andere in Annwn nichts dagegen hätte, Freunde im Seelie-Königreich zu besitzen. Wohlhabende Freunde.«
Jetzt schien Wenathn hellhörig zu werden. »So ein Wahlkampf ist eine kostspielige Sache«, sagte er.
»Nun, in diesem Fall ist die Lösung des Problems denkbar
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