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Schattenspäher

Schattenspäher

Titel: Schattenspäher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Sturges
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vertrauten Welt, und nun wusste er nicht mal mehr, wohin er sich wenden konnte, um seine Haut zu retten.
    Die Beisetzung von Timhas Mutter fand auf der Aussichtsplattform des höchsten Turms des Ortes statt. Unter ihnen lag das Städtchen Nahrand. Timha versuchte, sich auf die Beerdigung zu konzentrieren, doch er konnte die Augen nicht von den unteren Ebenen abwenden. Stolze, hochgewachsene Unseelie-Fae gingen dort ihrem Tagesgeschäft nach, das großartigste aller Elfenvölker am Scheitelpunkt der Zivilisation. Niemand von ihnen ahnte auch nur etwas von Timhas Misere. Und niemanden kümmerte es.
    Nicht einer von ihnen wusste, welches Grauen im Begriff stand, nach dem Herzen ihrer Welt zu greifen. Timha hatte die Finsternis geschaut, und eine Stadt konnte gar nicht hoch genug fliegen, um sie wieder ins Licht zu führen.
    Die Ansprache des Priesters ging weiter. Timha bekam nichts davon mit. Soweit er wusste, hatte der Geistliche seine Mutter nie kennen gelernt, sodass er sich im Wesentlichen in einer Reihe von Plattitüden erging. Rund um die Bahre saßen Timhas Angehörige und Freunde und lauschten. Sein Bruder Hy Foran saß direkt neben ihm. Nun ergriff er Timhas Hand, drückte sie sacht, schaute ihn dabei mitfühlend an. Timha rang sich ein dankbares Lächeln ab.
    »Gräm dich nicht, Timha. Sie ist nur weitergezogen.« Hy Foran klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. Timha wurde bewusst, dass der Bruder seine Furcht für Trauer gehalten hatte. In Wahrheit hatte Timha ihre Mutter nie sonderlich leiden können. Sie war eine ungebildete Person gewesen, die sich in ihrer Mittelmäßigkeit eingerichtet hatte. Wie er jetzt so darüber nachdachte, wurde ihm bewusst, dass seine gesamte Familie eher durchschnittlich und provinziell war. Schon seit Kindertagen war ihm klar gewesen, dass er zum Glücklichsein Nahrand gegen die Stadt Mab eintauschen musste.
    Doch wohin hatte ihn das alles geführt? Er hatte den erfolglosen Angriff gegen die Seelie-Territorien und den Beinaheuntergang der Hauptstadt an der Grenze miterlebt. Tausende waren an jenem Tag gestorben. Timha hatte mit einem gebrochenen Handgelenk gerade noch fliehen können, doch das Grauen war seither nie wieder von ihm gewichen. Von dort hatte es ihn in die Geheime Stadt verschlagen, dem Höhepunkt seiner beruflichen Laufbahn, und nun hatte er sich des Hochverrats schuldig gemacht.
    Er sah hinüber zu Hy Foran. In den Augen seines Bruders lag echte Trauer. Nein, es würde nicht einfach werden.
    Nachdem alle Gebete gesprochen und die Bahre entzündet worden war, kehrte die Familie zu Hy Forans kleine, wenngleich respektable Behausung zurück. Von hier hatte man einen schönen Blick auf Nahrands Heckspitze. Auf der Tafel im Wohnzimmer türmte sich das Essen, auf einem langen Tisch brannten Kerzen rund um ein Porträt der verstorbenen Mutter. Timha nahm sich ein paar Klöße und einen Löffel mit gedünstetem Gemüse und schob das Ganze lustlos auf seinem Teller hin und her, während die anderen in stillem Gedenken versanken. Hy Foran und seine Frau Letta hatten zwei kleine Kinder, die spielend durchs Haus tobten.
    Nachdem die Kleinen im Bett und der Rest der Familie wieder nach Hause gegangen waren, saßen Timha, Hy Foran und Letta auf dem Balkon beim Heck. Tief unter ihnen wiegte sich das Steppengras im Mondlicht. Ein entferntes kleineres Beben wirbelte Staub auf und schickte ein gedämpftes Grollen gen Himmel. Letta reichte ihnen Bier in hölzernen Krügen.
    »Es war bestimmt schwierig für dich, eine Reiseerlaubnis zu bekommen«, sagte Hy Foran. »Ich weiß ja, wie wichtig deine Arbeit ist.«
    »Ja«, sagte Timha; sein Blick wanderte über die Heckspitze in die Ferne. »Aber die Familie ist nun mal wichtiger als die Arbeit.«
    Hy Foran nickte.
    »Ich brauche Hilfe«, sagte Timha plötzlich mit brüchiger Stimme. Tränen stiegen ihm die Augen. »Ich bin in schrecklichen Schwierigkeiten.«
    Hy Foran riss erschrocken die Augen auf. »Sprich, Bruder. Ich werde dir helfen, wo ich nur kann.«
    »Ich muss das Land verlassen. Ich muss ins Seelie-Territorium. Nur dort bin ich sicher.«
    Hy Foran und seine Frau wechselten einen Blick. »Timha«, sagte der Bruder leise, »was um aller Welt ist denn bloß passiert?«
    »Hört zu«, sagte Timha, noch immer geradeaus starrend. »Ich weiß, dass ihr beide Arkadier seid. Nur ihr könnt mir noch helfen.«
    Hy Foran lehnte sich in seinem Sessel zurück und sah ihn von der Seite an. »Timha, ich weiß nicht, was du -«
    »Ich hab

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