Schattenspäher
sagte Paet. Es fiel ihm offensichtlich schwer, sich zu konzentrieren, doch Silberdun wusste, dass er nicht der Typ war, der wichtige Informationen aufgrund anderer Sorgen ignorierte.
»Ich habe mich zunächst den Depeschen aus Annwn gewidmet, und zwar denen aus der Zeit, als Silberdun und Eisenfuß zum ersten Mal dort waren, doch ich fand nichts von Bedeutung. So beschloss ich, mir alles anzusehen, in dem Annwn auch nur erwähnt wird. Und da bin ich über etwas Bestimmtes gestolpert.«
Sie schob Paet eines der Dokumente über den Tisch. »Das ist der Bericht eines unserer Informanten in Mag Mell, eine Kellnerin in einer Taverne auf der Insel Siolain. Darin schildert sie ein Treffen zwischen Baron Glennet und dem Annwni-Botschafter, das an jenem Tage stattfand, als ihr dort eintraft.«
»Hm«, meinte Paet. »Das ist ja erst mal nichts Ungewöhnliches.«
»Nein, für sich betrachtet nicht«, stimmte Sela zu. »Und an diesem Punkt, so muss ich gestehen, trat ich zuerst für eine Weile auf der Stelle. Also ging ich noch weiter zurück und überprüfte Glennets Reisepläne, die er dem Außenministerium eingereicht hatte.«
»Und?«
»Laut diesen Unterlagen war ein solches Gespräch niemals vorgesehen«, sagte sie. »Offiziell wollte sich Glennet in Mag Mell mit einem Silberminenbetreiber treffen.«
»Ja, das hat er uns auch erzählt«, bestätigte Silberdun. »Erinnerst du dich, Eisenfuß. Wir trafen ihn bei den Portalen?«
»Das stimmt«, sagte Eisenfuß. »Von einem Treffen mit dem Annwni-Botschafter war da nicht die Rede.«
»Genau«, meinte Silberdun. »Und dass er diese Verabredung nicht erwähnt hat, ist seltsam, weil
-«
»Weil er ja sehr genau wusste, dass ihr beiden nach Annwn unterwegs wart«, beendete Paet den Satz. »Glennet erhält über jede Mission auf fremdem Boden Nachricht. Er weiß immer, wohin wir gehen und wann. Das alles erscheint mir mehr als nur ein bisschen verdächtig.«
»Bei den Titten der Königin«, sagte Silberdun. »Könnte er es gewesen sein, der uns die ganze Zeit hintergangen hat?«
»Tja«, sagte Sela. »Doch ich hab da noch etwas. Ich hab mir Glennets Aufzeichnungen in der Halle der Aufzeichnungen angesehen.«
»Wie zum Henker hast du dir Zugang zu den Aufzeichnungen eines Barons verschafft?«, fragte Paet. »Selbst ich hab das in meiner ganzen Laufbahn nie geschafft.«
Sela lächelte. »Du hast auch nicht so viel ... Überzeugungskraft wie ich, schätze ich. Entweder die der magischen oder die der weltlichen Art.«
Silberdun wurde unvermittelt von einer Welle der Zuneigung für sie erfasst. Sie drehte ihren Kopf und sah ihn mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an. Hatte sie ihn womöglich gefühlt?
Für einen Moment schien sie den Faden verloren zu haben, doch schnell fing sie sich wieder.
»Nicht lange nach der Schlacht von Sylvan begann sich Glennet intensiv für das Kriegshandwerk zu interessieren«, sagte Sela. »Er investierte enorme Summen in die Rüstungs- und Schmiedegilde. Auch in die Schneidergilde, obwohl ich nicht weiß, wozu.«
»Uniformen«, sagte Eisenfuß. »Eine Armee braucht auch jede Menge Uniformen.«
»Also wollte der Baron am Krieg ein Vermögen verdienen«, schloss Silberdun. »Das macht ihn nicht notwendigerweise zum Verräter.«
»Nein«, stimmte Sela zu. »Das nicht. Aber da ist noch mehr.«
Sie schob einen weiteren Papierstapel vor Paet. »Das sind Kreditverträge, die mit Banken in Smaragdstadt, Estacana und Mag Mell abgeschlossen wurden. Jeder Heller, den Glennet in die Gilden investiert hatte, war geliehen.«
»Ich erinnere mich an Gerüchte, die bei Hof kursierten, nach denen Glennet in finanziellen Schwierigkeiten stecken sollte«, sagte Silberdun. »Es hieß, er liebe das Kartenspiel.«
»Und da hat er einen Weg gefunden, um an den Kriegsvorbereitungen zu verdienen«, sagte Eisenfuß.
»Doch dann verging ein Jahr, und es war noch immer kein Krieg«, fuhr Sela fort. »Und die Zinslast für die ganzen Darlehen wuchs und wuchs.«
»Glennet braucht diesen Krieg also unter allen Umständen«, schloss Silberdun. »Die Gilden können ihn nicht auszahlen, solange die Regierung bei den Gilden nicht den Rüstungsnachschub in Auftrag gibt.«
»Und die Regierung gibt den Rüstungsnachschub so lange nicht in Auftrag, solange nicht wirklich Krieg ist.«
»Das ist aber noch immer nicht alles«, sagte Sela. »Und was jetzt kommt, ist wirklich hässlich, so leid es mir tut. Ich hab mich mit den Analysten im ersten Stock in Verbindung gesetzt
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