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Schattenspäher

Schattenspäher

Titel: Schattenspäher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Sturges
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Everess und dem Arzt zurückwich. Sie schrie, hielt sich beide Ohren zu.
    Als die Flüssigkeit das Verfluchte Objekt erreichte, begann der Reif zu zischen. Sela sah, wie beißender Rauch von dem Metall aufstieg. Dann vernahm sie ein knirschendes Geräusch. Gleichzeitig fühlte sie sich plötzlich äußerst seltsam. Ihr Magen sackte eine Etage tiefer, ihre Sicht vernebelte sich.
    Das Verfluchte Objekt fiel von ihrem Arm.
    Einen Moment lang fühlte sie sich nackt, unangenehm entblößt, doch nicht lange. Sie berührte ihren Arm. Die Reste der ätzenden Substanz verbrannten ihr die Finger, doch es kümmerte sie nicht. Sie spürte die Einkerbung, den der eng anliegende Reif in ihrem Fleisch hinterlassen hatte.
    »Haltet sie fest!«, brüllte der Doktor und blickte wild um sich. Dann versuchte er sie zu ergreifen und ihr den neuen Reif überzustreifen. Er beugte sich näher zu ihr. Er wollte ihr wehtun. Und alles war klar, und alles war hell, und das Etwas in ihr bäumte sich auf, grinste förmlich von einem Ohr zum anderen, weil da kein Verfluchtes Objekt mehr war. Es war frei, frei, frei! Solchermaßen entfesselt griff es hinaus ...
    Der Doktor war fort. Der einzige Hinweis auf seine Existenz war ein Luftzug, der nun seinen Platz einnahm. Diese Luftströme waren einfach herrlich. Sie konnte sie fühlen. Konnte alles fühlen. Oh, wie wunderbar das war. Sie lehnte sich gegen das Kopfende des Bettes, labte sich an der Perfektion, an der Verbindung von allem zu einfach allem!
    Und dann wurde sie aus ihren Träumen gerissen. Ehe Sela sich versah, packte Everess sie grob am Handgelenk und schob ihr den neuen Reif über den Arm. Das neue Verfluchte Objekt überwältigte sie, brachte sie zu Fall, ließ sie dann wieder die Kontrolle über sich erlangen.
    Schwankend stand sie auf. Everess stützte sie einen Moment. »Ich hab Euren Doktor verschwinden lassen«, sagte sie. »Es tut mir sehr leid.«
    »Er war selbst schuld«, sagte Everess. »Er hätte es besser wissen sollen.«
    »Werdet Ihr mich nun nach Haus Katzengold zurückschicken?«, fragte sie besorgt.
    »Nein«, sagte Everess. »Aber du musst versprechen, so was nie wieder zu tun.«
    Sela betrachtete das neue Objekt und schluckte hart. Der Reif war hübsch, fühlte sich angenehm an auf ihrer Haut. Er saß auch nicht so stramm wie das alte Verfluchte Objekt. Sie konnte denken. Sie konnte empfinden. Sie sah Everess an, und ein Gedankengang sprang aus ihm heraus. Und sie konnte auch ihn erspüren. Und zum ersten Mal fühlte sie, dass er sich nicht nur vor ihr fürchtete, sondern regelrecht von ihr abgestoßen war.
    »Ich glaube, ich hätte jetzt gern einen Tee«, sagte sie kalt.
    »Gut, dann komm mit«, sagte Everess. Er führte sie ins Erdgeschoss und ließ ihr das Gewünschte bringen. Als sie wieder zurück auf ihrem Zimmer war, waren sämtliche Spuren des Doktors und den alten Verfluchten Objekts verschwunden.
    Die Vetteln sind nicht nett. Wenn Lord Tanen sich im Herrenhaus aufhält, was nicht allzu oft der Fall ist, dann zollen sie ihm den gebotenen Respekt und erzählen ihm, wie gut sie Sela behandeln. Doch sobald er fort ist, sind sie wieder kalt und grausam. Es gibt keine Spielgefährten hier. Niemanden, mit dem sie singen kann oder der ihr Geschichten erzählt. Die Vetteln sind ständig um sie herum, doch die starren Sela nur an, zerren an ihr, stoßen sie von hier nach da. Sie reden auch komisches Zeug und malen Bilder auf Selas Körper. Sie beobachten sie und warten. Sela weiß, sie warten darauf, dass sich ihre Gabe manifestiert, und die seltsamen Worte und Bilder dienen nur dazu, den Prozess zu beschleunigen und zu verstärken. Sela möchte, dass sich ihre Gabe manifestiert, denn sie will den Frauen zu Gefallen sein. Doch schon bald gelangt sie zu der Erkenntnis, dass nichts, was sie sagt oder tut, die Vetteln jemals zufrieden stellen wird.
    Sie erlernt das Nähen und Stricken, das Lesen und Schreiben in Gemeinsprache und in Fae, sie wird geschult in Dichtung und Gesang. Sie lernt, wie man ein Messer hält und Katzen tötet. Sie lernt, wie man sich geräuschlos bewegt. Sie erfährt, wie man einen Mann außer Gefecht setzt, indem man ihn gegen eine bestimmte Stelle tritt. Man kann auf diese Weise auch eine Frau verletzen, doch bei weitem nicht so erfolgreich. Die Vetteln lehren sie all dies, und wenn sie einen Fehler macht, dann schlagen sie nach ihr.
    Der Einzige, der nett zu Sela ist, ist ein großer schwerer Mann namens Oca. Er überragt die Vetteln bei weitem.

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