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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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dröhnte vorbei, wirbelte den Staub auf und pustete ihn durch das schräggestellte Wohnzimmerfenster auf den ausgeblichenen Teppich. Die Tassen im Küchenschrank schepperten. Mary preßte beide Hände auf die Ohren. Ich halte es nicht mehr aus, dachte sie erschöpft, ich halte es nicht mehr aus! Sie hatte Peter angefleht, in eine andere Wohnung zu ziehen. Seit einiger Zeit arbeitete er als Hausmeister an einer Schule, und Mary servierte an vier Abenden in der Woche in einem Schnellimbiß. Sie hatten nicht viel Geld, aber es hätte gereicht, um ein bißchen anständiger zu wohnen.
    »Wenigstens einen Balkon, Peter. Und in der Nähe etwas Grünes, damit Cathy nicht in diesem schmutzigen Hinterhof spielen muß. Und vielleicht etwas, wo es...«, sie mußte schreien, weil der nächste Zug kam. »Etwas, wo es nicht so laut ist!«
    »Kommt nicht in Frage. So billig wie hier kriegen wir es nirgends. Überall sonst muß man fast die doppelte Miete bezahlen!«
    »Aber wir könnten es uns leisten. Wozu willst du das Geld denn sparen? Immer nur für Pferdewetten...« Mary kamen beinahe die Tränen. Das ganze schöne Geld trug er auf die Rennbahn, und nie, nicht einmal, gewann er etwas. Es schien ihn nicht im geringsten zu stören, daß Cathy zwischen Mülltonnen und alten Autoreifen spielte. Aber natürlich, Cathy war nicht sein Kind. Er hatte keinen Grund, sich für sie zu interessieren. Und dann war ihr der Einfall gekommen: ein zweites Kind. Ein Kind von Peter. Das würde ihn an die Familie binden, würde in ihm vielleicht das Verantwortungsgefühl wecken, das sie bislang so schmerzlich an ihm vermißte. Keine Pferdewetten mehr, keine Kneipenbesuche. Und eine hübsche Wohnung, vielleicht sogar im Erdgeschoß, mit einem winzigen Garten davor, in dem sie
dann ihre geliebten Blumen pflanzen konnte. Ein Kind, das war es.
    Sie überredete Peter, mit ihr und Cathy für zwei Wochen ans Meer zu fahren. »Wir könnten ganz billig wohnen, Bed & Breakfast, und tagsüber gehen wir an den Strand. Es täte uns allen so gut, Peter. Jeder Mensch braucht hin und wieder eine Luftveränderung. Dir würde es auch gefallen, das weiß ich!«
    Peter sträubte sich mit Händen und Füßen. Wozu eine Luftveränderung, wozu wegfahren? Hier hatte er alles, was er brauchte – seine Kneipe, seine Freunde, seinen Fernseher. Verreisen fand er unbequem und langweilig.
    Er gab schließlich doch nach, vor allem deshalb, weil Mary diesmal nicht lockerließ und ihr ewiges Bohren ihn auf die Dauer nervte. Außerdem verreisten einige seiner Kumpels auch, und es war nicht mehr so lustig in der Kneipe. Murrend und widerwillig packte er seine Koffer. Mary hatte in Wellsnext-the-sea, einem kleinen Ferienort in Norfolk, bei einer Familie zwei Zimmer gemietet; ein kleines für Cathy und ein größeres für sich und Peter.
    »Verschwendung«, knurrte Peter, nachdem sie angekommen waren und ihre Wirtin ihnen die Unterkünfte gezeigt hatte, »wir hätten hier für Cathy noch ein Bett hineinstellen können, dann hätten wir weniger bezahlen müssen. Aber du willst ja offenbar nicht begreifen, daß wir kein Geld haben!«
    »Peter, ich dachte, wir...« Sie drehte sich zu ihm. Im Schein der einfallenden Sonne glänzte ihr Haar dunkelrot. »Ich dachte, wir nehmen uns in diesem Urlaub auch etwas Zeit für uns.« Sie blickte zum Bett hin, ihre blassen Wangen bekamen Farbe.
    Peter grinste. »Ach! Das sind ja ganz neue Töne! Ich dachte immer, du kannst es nicht leiden, wenn ich dich anfasse!«
    »Ich war noch sehr jung, als wir heirateten, Peter. Und ich hatte eine schwierige Zeit hinter mir...« Sie sprach ganz sanft. In Wahrheit hätte sie ihn anfauchen wollen: Ja, ganz recht, ich kann es nicht leiden, wenn du mich anfaßt! Was heißt, nicht leiden! Ich kann es kaum ertragen! Du bist entsetzlich grob, und meine Gefühle sind dir vollkommen gleichgültig. Für dich ist eine Frau
nur ein Mittel zur Befriedigung – etwas wie Essen, Trinken und Pferdewetten. Nicht mehr.
    »Ich habe es vermißt, mit dir zu schlafen, Peter.« Sie trat ans Bett, streifte ihr Kleid über den Kopf. Darunter trug sie neue, spitzenbesetzte Wäsche. Peter starrte auf die Stelle, wo die Strümpfe aufhörten und die Haut begann. »Neu?« fragte er.
    Sie lächelte, während die unverhohlene Gier, mit der er sie anschaute, ihr fast körperlichen Schmerz bereitete. Dreckschwein, dachte sie voller Haß. »Ja. Neu. Für dich.«
    Es war heiß, die Zugfahrt hatte lange gedauert, und eigentlich hatte Peter keine

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