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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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aus Angst. Es war alles so verfahren.«
    »Haßten Sie ihn?«
    Sie sah ihn sehr offen an. »Ja. Und gleichzeitig hatte ich das größte Mitleid der Welt mit ihm.«
    »Und er? Hat er Sie auch gehaßt?«
    »Oh, ja. Als ihm klar wurde, daß ich irgendwann gehen würde, fing er an, mich zu hassen. Was aber, so verrückt das klingt, letztlich nichts an seiner Liebe änderte.« Sie machte eine
Pause und sagte dann nachdenklich. »Er war ein Mensch, der einfach mit seinem Leben nicht zurechtkommen konnte.«
    Nun schwiegen sie beide, hingen jeder ihren Gedanken nach. Kelly blickte zum Fenster hinaus. Mit dem Schnee hatte sich eine seltsame Stille über die Stadt gesenkt.
    »Nun«, sagte er schließlich, »ich denke, wir sollten jetzt zu den anderen zurückkehren. Vielleicht ist ja noch etwas zu essen da, und Sie bekommen auch ein bißchen Appetit. Außerdem geht die Geschichte weiter.«
    Sie erhob sich, rauschte am Inspektor vorbei zur Tür. Eine Woge »Chanel No. 5« hüllte sie ein. Laura trug, wovon sie gelesen hatte...
    »Wirklich?« fragte sie mißmutig. »Diese Lebensgeschichten gehen noch weiter?«
    Kelly nickte. »Ich denke, es wird jetzt erst richtig dramatisch«, sagte er.

III.
Buch

August 1981
    »Wissen Sie«, sagte Dr. Parker, während er Natalie sehr eindringlich ansah, »es wäre natürlich besser, wenn wir Ihre Probleme lösen könnten, anstatt sie mit Medikamenten zuzuschütten. « Er hatte freundliche Augen, ein vertrauenerweckendes, sehr faltiges, altes Gesicht.
    Natalie, im strengen weißen Kostüm, dezent geschminkt und krampfhaft bemüht, ihre Hände ruhig zu halten, lächelte nervös. »Sicher, Doktor. Nur sind Sie jetzt schon der dritte Therapeut, den ich konsultiere, und auch Sie sagen mir, daß es lange dauern wird, bis ich... wieder... nun, wieder normal bin...«
    »Sie sind normal, Natalie. Sie sind krank im Moment, aber auch wenn Sie einen Schnupfen haben, bezeichnen Sie sich ja nicht als anomal!«
    »Aber wir wissen doch beide, daß man das nicht mit einem Schnupfen vergleichen kann, Dr. Parker. Vor allem dauert es länger. Und ich habe keine Zeit. Ich muß arbeiten, und ich kann es mir nicht leisten, immer wieder in meinem Beruf zu versagen. Mir ist bei zwei Zeitungen gekündigt worden, weil ich in entscheidenden Momenten versagt habe – genauer: Meine Nerven haben versagt. In einem Fall wurde ich während eines Rockkonzerts, dem ein sehr wichtiges Interview folgen sollte, bewußtlos und fand mich auf dem Behandlungstisch eines Arztes wieder. Im anderen Fall war ich im Foyer des Savoy Hotels mit Joan Collins zu einem Interview verabredet, aber während ich dort auf sie wartete, drängte eine Gruppe wild gestikulierender, laut durcheinanderschreiender japanischer Touristen hinein, und irgendwie empfand ich die Situation als bedrohlich. Ich bekam wieder Panik... diese Platzangst, verstehen Sie... und ich lief aus dem Hotel, rannte durch die Straßen, rannte, als sei alles
Verderben der Welt hinter mir her, ich rannte und rannte, und in irgendeinem Cafe fiel ich auf einen Stuhl, und da begriff ich erst, was passiert war. In beiden Fällen kostete ich die betreffenden Zeitungen sehr viel Geld. Das Problem ist...« Natalie kramte in ihrer Handtasche nach einer Zigarette. Dr. Parker gab ihr Feuer, sie nahm einen tiefen Zug und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Das Problem ist, ich habe mich in diesen Momenten nicht unter Kontrolle. Ich kann mich nicht mehr steuern.«
    »Das gehört zum Wesen einer Phobie, Natalie.«
    »Sicher. Aber es ist etwas, das ich von mir vorher nicht kannte. Solange ich lebe, habe ich mich immer in der Gewalt gehabt. Immer.«
    Er nickte, betrachtete das schmale, kühle Gesicht mit den gescheiten Augen. Natürlich. Eine Frau wie Natalie Quint ließ sich in keiner Lebenslage gehen.
    »Ich kann das Zittern meiner Hände nicht unterdrücken«, fuhr Natalie fort. »Ich habe Schweißausbrüche am ganzen Körper, mir wird schwarz vor den Augen. Meine Knie werden weich, ich bin dicht daran, ohnmächtig zu werden. Ich kann nichts dagegen tun.«
    Dr. Parker, der den verzweifelten Unterton in ihrer Stimme vernahm, sagte eindringlich: »Nach allem, was Sie erlebt haben, Natalie, ist das nicht ungewöhnlich. Sie dürfen sich nicht zuviele Sorgen machen und schon gar keine Schuldgefühle entwickeln. Sie sind...«
    »Doktor, ich weiß das. Ich weiß das alles. Ich weiß auch, daß Sie mir wahrscheinlich auf lange Sicht helfen können. Aber das nützt mir im Moment nichts. Sehen Sie«,

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