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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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an zu trinken. Er brach seine Offizierslaufbahn ab, versuchte sich in diesem und jenem Beruf, aber nichts funktionierte, weil er die meiste Zeit betrunken war. Anfangs versuchte ich Kontakt zu halten, aber er verhielt sich so abweisend und feindselig, daß ich schließlich aufgab. Jahrelang habe ich nichts von ihm gehört. Erst kurz bevor wir beide uns kennenlernten, rief er mich eines Abends an. Mit dieser seltsam röchelnden, heiseren Stimme, die du ja auch gehört hast. Und ich erfuhr: Gipsy ist ein todkranker Mann. Lungenkrebs. Der ganze Körper voller Metastasen. Ich war erschrocken, ich fragte ihn, ob er gute Ärzte hätte, ob er Hilfe brauchte, ob ich etwas tun könnte. Er lachte nur. Geld will ich, John, sagte er, soviel verdammtes Geld, daß ich in meinen letzten Monaten leben kann wie ein König. Ich will in Champagner baden und den Tag mit Kaviar beginnen, und im Rolls-Royce zu meinen Bestrahlungen fahren. Ich dachte, er ist wieder betrunken, aber er war stocknüchtern. Und dann sagte er mir, was er tun würde, wenn er das Geld nicht bekäme. ›Du willst hoch hinaus in der Politik, John, habe ich gehört. Wäre es nicht unangenehm, wenn die Leute von der kleinen Sauerei damals in Vietnam erführen?‹ Ich bekam Angst. Ich flog zu ihm nach New York.«
    »War das im Dezember, als wir uns kennenlernten?«
    »Ja. Als wir uns in dieser Kirche zum ersten Mal sahen, kam ich gerade von Gipsy. Er wohnte in einem Loch von einer Wohnung am Hafen, Blick auf Miss Liberty. Er ist jünger als ich, aber er sieht zwanzig Jahre älter aus. Ein Wrack, zerstört vom Alkohol, zerfressen vom Krebs. Kaputt, durch und durch kaputt. Verstehst du, auch geistig und seelisch kaputt. Ein Mensch ohne Moral, der dahinvegetiert, haßerfüllt, rachsüchtig. Ich erkannte
nichts mehr von dem früheren Gipsy in ihm, und ich begriff, es würde keinen Sinn haben, mit ihm zu reden. Ich schrieb ihm einen Scheck aus, dann ging ich, floh geradezu, und ich fand mich in dieser Kirche wieder... letzthin ist es fast makaber, daß gerade Gipsy uns zusammengeführt hat!«
    Sie dachte, was sie damals immer gedacht hatte: Diese seltsamen, undurchschaubaren Wege, die das Schicksal nimmt...
    »Natürlich«, sagte John, »war ich überzeugt davon, daß Gipsy...nun, ich dachte, vielleicht zwei Monate noch, mehr hat er nicht, mehr kann er gar nicht haben, er sah ja schon aus wie ein Toter. Aber — er lebt. Es ist ein Wunder, aber er lebt und lebt, ein Mann, der nach menschlichem Ermessen gar nicht mehr leben kann... wahrscheinlich hält ihn der Haß aufrecht, den er auf die Welt hat... ich weiß es nicht.«
    »Könnte er dir wirklich gefährlich werden?«
    »O ja. Wenn ich allein daran denke, wie ein Gegner in einem Wahlkampf die Geschichte ausschlachten würde, wird mir schwindlig. Ich wäre als Feigling gebrandmarkt, für alle Zeiten, ich könnte erzählen, was ich wollte. Es ist absolut klar, Gina: Wenn Gipsy redet, kann ich meine politische Karriere begraben.«
    Schweigend aßen sie das Hauptgericht.
    »Wünschen Sie die Dessertkarte?« fragte der Ober, als sie fertig waren. John sah Gina an. Die schüttelte den Kopf. Sie lehnte sich vor und flüsterte geheimnisvoll: »Ich könnte Popcorn daheim machen. Dazu gibt’s ein Glas Wein und einen Western!«
    »Ich liebe dich, Gina«, sagte John leise. Arm in Arm verließen sie das Restaurant. Am Eingang wartete ein Reporter von »People«, hob sofort seinen Fotoapparat und schoß ein Bild von den beiden. »Mr. Eastley, ist es wahr, daß Sie im nächsten Wahlkampf für das Amt des Gouverneurs von Kalifornien kandidieren wollen?«
    »Das wird noch zu überlegen sein.«
    Der Reporter wandte sich an Gina. »Miss Loret, wann werden Sie und Mr. Eastley heiraten?«

    »Wann auch immer, ›People‹ werden die ersten sein, die davon erfahren.«
    »Ist es wahr, daß Sie immer noch nicht die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen haben, Miss Loret?«
    »Ich werde das demnächst tun.«
    John zog sie weiter. »Komm, der fragt uns noch Löcher in den Bauch!«
    Als sie im Auto saßen, sagte er: »Siehst du, alles aus unserem Leben interessiert sie, und wenn ich tatsächlich kandidiere, wird es sie noch mehr interessieren. Was meinst du, wie die sich auf eine Story wie die von Gipsy stürzen werden!«
    In der nächsten Ausgabe von »People« prangte ein Bild von ihnen. Die Überschrift lautete: John Eastley: »Ich befinde mich jetzt auf dem Marsch ins Weiße Haus!«
    2
    Steve kam etwas zu spät ins Büro, nicht viel,

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