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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Freundin.
Dann ging ihr auf, daß mancher diese Bemerkung für taktlos halten könnte, und fügte eilig hinzu: »Nicht, daß Sie nicht hübsch wären, Natalie, aber...«
    »Ich weiß, ich bin keine blendende Schönheit«, sagte Natalie lächelnd. Aber zum Glück bin ich intelligenter als ihr alle zusammen, dachte sie bei sich.
    »Natalie hat es verdient, vom Schicksal gut behandelt zu werden«, rief eine Dame. »Nach dem Schrecklichen, was sie damals erlebt hat!«
    »Es ging ja durch alle Zeitungen ...«, meinte eine andere, und das wohlige Schaudern, das durch den Raum wehte, war beinahe spürbar.
    Ja, es war ein gelungenes Fest. Mrs. Quint konnte stolz darauf sein. Die Bombe platzte am darauffolgenden Montag: Ein Reporter der »Sun« hatte herausgefunden, daß die junge französische Schauspielerin Claudine Combe, die England als die Entdeckung der letzten zwanzig Jahre feierte, ihr Engagement in London nicht verlängert hatte, sondern statt dessen mit der bekannten Fernsehjournalistin Natalie Quint nach Amerika gehen würde, wo diese eine Talk-Show bei ABC übernehmen sollte. Findig, wie ein Reporter der »Sun« sein soll, bekam er auch noch heraus, was schon zu viele wußten, als daß es noch sehr viel länger hätte geheimbleiben können: die Combe und die Quint lebten miteinander. Die »Sun« behandelte diese Tatsache natürlich nicht gerade diskret.
    Es war die Schlagzeile zum Wochenbeginn.
    In Tränen aufgelöst rief Mrs. Quint bei ihrer Tochter an. »Ich bin blamiert bis auf die Knochen. Wie konntest du mir das am tun? Alle, die auf unserem Fest waren, haben die ›Sun‹ gelesen, und du kannst dir vorstellen, mit welch höhnischem Mitleid sie bei mir angerufen haben. Nat, du mußt das dementieren! Das ist üble Nachrede. Wir müssen die ›Sun‹ verklagen, und die müssen eine Gegendarstellung drucken, und ...«
    »Alles, was sie schreiben, stimmt«, sagte Natalie ruhig.
    Sekundenlanges Schweigen. Dann fing Mrs. Quint an, leise zu röcheln. Natalie blieb unbeeindruckt. Solange sie lebte, hatte
ihre Mutter versucht, Asthmaanfälle vorzutäuschen, wenn ihr etwas nicht paßte.
    Japsend stieß Mrs. Quint hervor: »Dein Vater und ich können uns nirgendwo in der guten Gesellschaft mehr blicken lassen!«
    Daddy wird das nur recht sein, dachte Natalie. Laut sagte sie: »Mum, ihr müßt euer Leben leben, ich meines. Mir tut leid, was passiert ist. Ich mag es auch nicht, daß meine privaten Angelegenheiten an die Öffentlichkeit gezerrt werden. Aber Zeitungen wie die ›Sun‹ leben von Klatschgeschichten, und man wird sich nie dagegen wehren können. Im übrigen«, fügte sie boshaft hinzu, »lieben deine Freundinnen und du dieses Blatt doch so sehr, und ihr findet es ganz in Ordnung, daß Journalisten über Dinge schreiben, die niemanden etwas angehen.«
    »Entschuldige, wenn ich das Gespräch unterbreche«, sagte Mrs. Quint und rang nach Atem. »Aber ich...fühle mich nicht wohl. Ich muß mich hinlegen.«
    Natalie hätte sich gern im Frieden von ihrer Mutter verabschiedet, aber offenbar war das nicht möglich. Sie hatten immer gestritten, und sie stritten auch jetzt.
     
    Die Stewardeß forderte die Passagiere auf, sich anzuschnallen. Natalie stupste Claudine an. »Claudine, wach auf. Wir landen gleich!«
    Sie mochte es, wenn Claudine erwachte. Sie liebte den schläfrigen, verwirrten Blick, mit dem sie sich umsah, sie betrachtete sie gern, wenn ihre Haut so blaß war und die Augen schmal und sehr grün. »Du mußt dich anschnallen.«
    Claudine zog den Gurt fest. Sie hatte die zartesten, feinsten Finger, die Natalie kannte. Dezenter Goldschmuck blitzte daran, jedes einzelne Stück sorgfältig ausgewählt und sehr kostbar. Wie hübsch und elegant sie heute wieder aussah in ihrer Pumphose aus schwarzer Seide, die blaßgrüne Seidenbluse dazu, hellrosafarbener Lippenstift, die blonden Haare aus der Stirn gekämmt und im Nacken mit einer grünen Samtschleife zusammengebunden. Während sie schlief, hatte sich eine Strähne gelöst und fiel ihr ins Gesicht; es sah rührend aus und ein wenig kindlich.
Natalie erinnerte sich der heftigen Auseinandersetzungen, die zwischen ihnen stattgefunden hatten. »Du kannst jetzt nicht aufhören, in London Theater zu spielen, Claudine. Du bist dicht davor, ein ganz großer Star zu werden!«
    »Ich kann auch in Amerika spielen!«
    »In Amerika bist du noch nicht so bekannt. Du gehst drei Schritte zurück. Wenn du in Europa die Combe bist, dann kannst du in die USA gehen. Aber es ist

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