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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Frauen erzählen. Ach, da ist sie ja!« Sie hatte ihre Handtasche entdeckt, Krokodilleder, ein betuchter Verehrer hatte sie ihr vor vielen Jahren geschenkt, und sie hatte dafür sogar nur einmal mit ihm schlafen müssen. Sie öffnete die Tür und stöckelte vorbei an der schluchzenden Mary — Heulsuse, dachte sie verächtlich, ich würde nicht heulen, ich würde dem Kerl rechts und links eine schmieren —, und hinaus ins Treppenhaus. Ihre Absätze hallten — klack, klack, klack. Von draußen erklangen die schrillen Pfiffe, mit denen die auf ihren Motorrädern herumlungernden Jugendlichen im Hof auf Lues Anblick reagierten.
    Peter kam aus dem Zimmer. »Verdammt!« sagte er wütend. »Wieso platzt du einfach so herein, ohne anzuklopfen?«
    Mary hob den Kopf, ihre Augen waren dick verschwollen vom Weinen. »Am hellichten Vormittag«, stieß sie hervor, »werde ich doch wohl mein Schlafzimmer betreten dürfen, ohne anzuklopfen! Oder sollte ich ahnen, daß du mit einer fremden Frau im Bett liegst?« Die Stimme brach ihr schon beinahe wieder. »In unserer Wohnung! In meinem Bett!«
    »Das ist immer noch meine Wohnung, verstanden?« brüllte Peter. Lue hatte ihn tief gedemütigt, er mußte jetzt irgendwohin mit seinem Zorn. »Und in meiner Wohnung kann ich tun und
lassen, was ich will! Mit wem ich will! Du hast überhaupt nichts zu sagen!«
    »Ich bin deine Frau! Ich lasse mich nicht so behandeln!«
    »Ach nein! Willst du dich vielleicht scheiden lassen?« Peter tat ganz cool, aber in Wahrheit stellte er die Frage mit ein wenig Angst. Wenn Mary sich scheiden ließe, bekäme er kein Geld mehr von ihrem Alten.
    »Ich weiß nicht... ich habe darüber noch nicht nachgedacht ...«
    »Wo wolltest du auch hin mit dem Kind?« trumpfte Peter auf. »Du kannst doch von Glück sagen, daß du hier bei mir hast unterkriechen dürfen!«
    »Das Kind! Mein Gott, Peter, daß du dich nicht einmal schämst, vor den Augen des Kindes diese vulgäre Schlampe in die Wohnung zu bringen!«
    »Lue ist keine Schlampe! Sag das nicht noch mal! Lue ist ein nettes Mädchen, das weiß, wie man einen Mann glücklich macht! Nicht so eine prüde Zicke wie du! Mit Lue komme ich wenigstens auf meine Kosten, und ich kann dir nur sagen, mit dir hat es mir nie Spaß gemacht! An dir ist ja auch nichts dran, wo man hinlangt nur Rippen und Knochen, und überhaupt wird mir ganz schlecht, wenn ich dich nur anschaue!«
    »Nicht so laut! Du kannst doch nicht...«
    »Ich kann verdammt alles!« schrie Peter. »Alles, was ich will! Oh, Gott, wie satt ich dich habe!«
    Sie starrten einander an, und Mary dachte: Ich werde es nicht mehr lange aushalten. Ich kann nicht mehr!
    »Wenn du mich schon betrügst«, sagte sie schließlich, »dann tu das in Zukunft bitte wenigstens woanders. Geh mit dieser Schlampe in irgendeine Absteige, oder ...«, ihre Stimme war voller Abscheu, »oder vielleicht führt sie sowieso ihr eigenes Bordell, und dann müßte sie ja bestens eingerichtet sein auf Freier wie dich!«
    In der nächsten Sekunde erstarrte sie, denn Peter hatte plötzlich ausgeholt und ihr ins Gesicht geschlagen. Das kam so plötzlich und unerwartet, daß Mary zuerst glaubte, sie habe sich
getäuscht. Aber ihre Wange brannte, und sie sah, daß Peter ganz weiß geworden war.
    »Wenn du so mit mir redest, brauchst du dich nicht zu wundern, wenn mir irgendwann die Hand ausrutscht!«
    »Mich nicht wundern? Nicht wundern? Weißt du, was du da getan hast?« Das Entsetzen ergriff vollends Besitz von ihr. Sie stand im Dreck, tiefer und endgültiger, als sie geglaubt hatte. Nun trennte sie kein Fußbreit mehr von dem Leben, das ihr Vater in seinen düsteren Prophezeiungen für sie ausgemalt hatte. Und eine ganze Welt lag zwischen ihr und ihrem Traum...Das kleine Haus, ein Garten voller Blumen, eine glückliche Familie... Nie war sie weiter davon entfernt gewesen.
    Sie stand auf und wankte ins Wohnzimmer, setzte sich mit angezogenen Beinen in einen Sessel, kuschelte sich in eine Decke, versuchte sich in ihr Inneres zurückzuziehen, wie sie es als Kind getan hatte. Nur hatte sie damals ihre Träume von einer besseren Zukunft gehabt — wenn ich erst groß bin...Sie konnte nicht mehr an die Zukunft glauben. An gar nichts mehr konnte sie glauben.
    Sie saß stundenlang so da, und erst als es schon dunkel wurde im Zimmer, fiel ihr Natalies Brief ein. Sie erhob sich — jeder Knochen tat ihr weh vom langen, verkrampften Sitzen — und ging in die Küche hinüber. Sie öffnete ihn. Natalie

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