Schattenspiel
noch zu früh.«
»Ich gehe dahin, wo du hingehst.«
»Du kannst dein Talent nicht wegwerfen. Bitte, Claudine, mir zuliebe.«
»Ich gehe mit dir.«
»Dann verzichte ich auf Amerika und bleibe in England.«
»Das tust du nicht. Außerdem habe ich schon gekündigt. Es ist alles passiert.«
Hin und her, hin und her. Am Ende gab Natalie nach, im Grunde hatte sie gleich gewußt, daß sie das tun würde. Sie konnte nicht auf Amerika verzichten, nicht auf diese Chance, mit oder ohne Claudine. Für sie würde wohl immer die Karriere an erster Stelle stehen, für Claudine die Liebe.
Die Maschine kam weich auf, rollte aus. »Bitte bleiben Sie so lange angeschnallt sitzen, bis wir unsere Parkposition erreicht haben und die Triebwerke ausgeschaltet sind.«
Claudine suchte nach ihrem Paß. »Wenn wir im Waldorf sind, nehme ich zuerst ein langes Bad. Und dann lege ich mich einen Moment hin. Mußt du heute schon die Leute von ABC treffen?«
»Nein, morgen erst. Heute darf ich noch meinen Jet-lag pflegen. Ich... will nur einen alten Freund anrufen.«
Claudine machte ein neugieriges Gesicht, aber Natalie hüllte sich in Schweigen. In der Handtasche krampfte sich ihre Hand um einen Zettel. Dr. Harper hatte ihr darauf den Namen eines New Yorker Kollegen geschrieben. »Dr. Brian ist ein wirklich sehr guter Therapeut, und ich hoffe, er wird nicht zu nachsichtig mit Ihnen sein, Natalie. Nachdem ich Ihre tägliche Dosis schon wieder erhöht habe... mein Gott!« Harper war noch im nachhinein verzweifelt, daß er nachgegeben hatte. Natalie
lächelte. Sie wollte das auf keinen Fall mit Claudine diskutieren, aber sie würde Dr. Brian bitten, ihr noch mehr zu verschreiben. Sie brauchte das, nur so war sie ihrem neuen Job gewachsen.
Das, dachte sie etwas bitter, wird meine erste Tat in New York sein.
Davids funkelnagelneuer Porsche, dunkelblau metallic mit schwarzen Sitzen, hielt mit quietschenden Bremsen vor dem Waldorf Astoria. David, sehr elegant im schwarzen Anzug, stieg aus und gab dem Hotelboy den Schlüssel. Er würde das Auto für ihn parken.
Blitzlichter flammten auf. Journalisten umringten ihn. David lächelte freundlich in die Kameras. Er liebte es, seinen eigenen Auftritt zu haben. Deshalb war er auch im Porsche gekommen und hatte Andreas allein in seiner Limousine vorausfahren lassen. Er brauchte keinen Chauffeur, er steuerte gern selbst.
»Mr. Bellino«, fragte eine junge, hübsche Journalistin, die höchst amüsiert seine Anfahrt im Porsche beobachtet hatte, »wird Bredow Morgan Industries kaufen?«
»Wenn Morgan einen anständigen Preis nennt, wird man sich bei dem heutigen Abendessen hier im Waldorf sicher einigen können.« David erklärte das ganz kühl, aber innerlich bebte er vor Stolz. Morgan Industries war sein Geschäft. Er hatte herausgefunden, daß das Unternehmen in den roten Zahlen steckte, zu tief, um jemals wieder herauszukommen. Er hatte Andreas überredet, Kredite zu gewähren, immer höher, immer mehr, bis Morgan Industries gewissermaßen schon zu drei Vierteln Bredow gehörte. Der Rest war ein Kinderspiel. Ein feudales Abendessen im New Yorker Waldorf Astoria, man würde ein paar Nettigkeiten austauschen, hinter denen sich die knallharte Frage verbarg: Verkaufen Sie freiwillig, Morgan, oder sollen wir die Daumenschrauben ansetzen?
David beantwortete geduldig noch einige Fragen, dann betrat er das Foyer. An der Rezeption stand Natalie, die gerade von ihrem Besuch bei Dr. Brian zurückgekehrt war und ihren Zimmerschlüssel
verlangte. Sie drehte sich um und sah David sofort. Ihre erste Begegnung seit Crantock.
Natalie erholte sich als erste von der Überraschung und ging hocherhobenen Hauptes zu den Fahrstühlen hinüber. David folgte ihr. »Natalie!«
Sie antwortete nicht. Er hatte sie erreicht und griff nach ihrem Arm. Sie machte sich los. »Würden Sie mich bitte nicht belästigen, Mr. Bellino«, sagte sie sehr scharf und sehr laut. Einige Umstehende wurden aufmerksam. David trat einen Schritt zurück. »Ich wollte dich nur begrüßen, Natalie. Nach so vielen Jahren ...!« Auf einmal war er nicht mehr der selbstbewußte, siegessichere Geschäftsmann, als der er eben noch in seinem Porsche vorgefahren war und zu den wartenden Journalisten gesprochen hatte. Auf einmal hatte er etwas von einem kleinen Jungen, der Natalie bettelnd ansah. »Nat, bitte, hör mir zu...«
»Wir haben einander nichts zu sagen.« Sie wäre gern auf der Stelle verschwunden, aber der verdammte Aufzug ließ wieder
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