Schattenspiel
Wohnungstür aufschloß, bemerkte sie sofort, daß Peters Jacke noch an der Garderobe hing. Verdammt, dachte sie erschöpft, dann ist er noch da! Ruhe und Gemütlichkeit rückten in weite Ferne. Sie brachte die Tüten in die Küche und wunderte sich, daß nicht wie sonst Cathy sofort angelaufen kam und sie begrüßte.
»Cathy?« rief sie in den Flur. »Wo bist du Schätzchen?«
Keine Antwort. Sie ging hinaus und wollte die Tür zum Kinderzimmer öffnen, aber die war verschlossen. Der Schlüssel steckte. Verwundert drehte sie ihn um und trat ein. Cathy saß mit angezogenen Beinen auf ihrem Bett, das Gesicht auf den Knien, so daß die langen, dunklen Haare wie ein Schleier nach vorne fielen. Sie zitterte vor Schluchzen. Mary eilte auf sie zu und nahm sie in die Arme. »Cathy, was ist denn? Was ist passiert? Wer hat dich eingeschlossen?«
Cathy hob den Kopf, ihre Augen waren rot verschwollen. »Daddy«, schluchzte sie, »Daddy war es!«
»Daddy? Warum hat er das getan?«
»Die fremde Frau ist wieder gekommen, und da hat er gesagt, er muß mich wieder einschließen, und er schlägt mich tot, wenn ich es dir erzähle.«
»Eine fremde Frau?« Mary spürte, wie ihr kalt wurde, kalt vor Entsetzen, aber auch vor Wut. Sie strich Cathy über die Haare. »Keine Angst, Kleines. Daddy wird dich nicht totschlagen. Ich bin ja auch noch da!« Ihre Knie zitterten, als sie aus dem Zimmer hinaus über den Gang zum Schlafzimmer ging. Eine andere Frau! Obwohl das Kind da war, ließ er eines dieser ordinären Weiber, die in der Kneipe herumhingen, in die Wohnung kommen! Sie riß die Tür auf.
Peter stand in der Mitte des Raumes und schlüpfte gerade in seinen Morgenmantel. Er hatte verstrubbelte Haare — er war seit Monaten nicht mehr beim Friseur gewesen, weil er es auf einmal schick fand, »verwildert« auszusehen —, und an seinem Hals prangte ein großer roter Fleck. Er starrte Mary so blöd an, als sei plötzlich ein Geist vor ihm aufgetaucht.
Auf dem Bett lag eine blonde Frau, rosagesichtig und mit falschen Wimpern, mit einem kleinen, dunkelroten Mündchen und zuviel Rouge auf den Wangen. Sie lag nackt auf dem Bauch, und das erste, was Mary dachte, war: Sie hat weiß Gott den fettesten Hintern, den ich je gesehen habe! Ihre Füße sahen aus wie die von Miss Piggy; sie quollen aus zu engen Silbersandalen mit zehn Zentimeter hohen, spitzen Absätzen.
Die Blonde machte den Mund als erste auf. Sie sagte: »Hey ..., ist das deine Frau, Peter?« Sie sprach einen wüsten Dialekt, schien aus dem hintersten Dorf von East Anglia zu kommen.
»Mary, verdammt!« sagte Peter. Er strich sich über die Haare, es war ihm offenbar klar, daß er einen ungünstigen Anblick bot. »Ich denke, du bist beim Zahnarzt!«
»Nein, wie du siehst, bin ich hier. Der Zahnarzttermin ist erst morgen.«
Sie drehte sich um, schmetterte die Tür hinter sich ins Schloß. Draußen, im Flur, sank sie auf einen Stuhl und brach in Tränen aus.
Im Zimmer wuchtete sich die Blonde aus dem Bett. Etwas wackelig kam sie auf ihren zu kleinen und zu hohen Schuhen zum Stehen. »Das ist ja die absolute Scheiße«, sagte sie. Sie schlüpfte in ihren roten Slip und angelte nach ihrem roten BH. »Darauf steh’ ich überhaupt nicht, auf diese Art von kleinen Überraschungen!«
»Sie hat gesagt, sie geht zum Zahnarzt. Ehrlich, Lue, das hat sie gesagt!«
Lue schnaubte. »Männer, die alles glauben, was ihre Frauen ihnen erzählen, sind die größten Idioten. Ich hätte gedacht, du hast ein bißchen mehr Grips. Aber damit ist es genausowenig weit her wie mit allem sonst!« Lue stieg in ihren hautengen,
schwarzen Strickrock, streifte ihn dann über die Hüften hoch, um ihre Strümpfe an den Strumpfhaltern zu befestigen. Sie war sauer. Dieser Peter würde sie jetzt höchst eilig aus der Wohnung katapultieren, weil er dann gleich einen Riesenkrach mit seiner Alten haben würde. Lue schob die Unterlippe vor, zerrte den Rock wieder über ihre gewaltigen Schenkel hinunter und schlüpfte in einen grünen Wollpullover, der sie so eng umschloß, daß bei jedem Atemholen die Nähte zu platzen drohten.
Peter war natürlich hellhörig geworden. »Wie meinst du das, Lue? Womit ist es nicht weit her?«
»Dreimal darfst du raten! Wo ist meine Handtasche?«
»Es war doch für dich auch toll! Du hast doch gesagt, daß...«
Lue machte eine verächtliche Miene und blies sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Peter, Herzchen, ich hab’ dir schon mal gesagt, glaub nicht alles, was dir
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