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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Dinner. Sie beschloß, sich vom Hausmädchen noch eine Flasche Champagner bringen zu lassen. Die dritte heute, und von keiner Flasche hatte sie mehr als ein Glas getrunken. Sie wußte, David würde das unverschämt finden, aber sie wußte auch, daß ihm Unverschämtheit stets imponiert hatte.
     
    Den ganzen Tag über hatte Natalie Quint versucht, eine telefonische Verbindung zu ihrer Wohnung in Paris herzustellen. Am späten Nachmittag erst, 23 Uhr Pariser Zeit, hatte sich ihre Freundin Claudine gemeldet. »Combe«, hatte es fröhlich und ein bißchen abgehetzt aus dem Hörer geklungen.
    »Claudine! Endlich! Wo um Himmels willen bist du gewesen? Ich versuche dich seit Stunden zu erreichen!«
    »Nat? Die Verbindung ist so schlecht, ich verstehe dich ein bißchen schwer. Wie ist es in New York?«
    »Ganz o. k. Wo warst du?«
    »Erst einkaufen, es war überhaupt nichts Eßbares mehr in der Wohnung. Und dann bei Marguerite Fabre draußen in Versailles. Sie wollte mich unbedingt sprechen, weil sie ein Drehbuch geschrieben hat und meint, nur ich könnte die weibliche Hauptrolle in dem Film spielen. Nach allem, was sie erzählt hat, muß es wirklich eine tolle Geschichte sein.«
    »Ich dachte, du wolltest nicht mehr filmen«, sagte Natalie alarmiert. Sie klemmte den Telefonhörer zwischen Kinn und Schulter und zündete sich eine Zigarette an. In den Stunden, in denen sie vergeblich versucht hatte, Claudine zu erreichen, hatte ihre Nervosität einen bedenklichen Grad angenommen. Mit scharfer Stimme wiederholte sie: »Du wolltest doch nicht mehr filmen? Claudine?«
    »Natürlich nicht, Liebling.« Das kam rasch und ein wenig ängstlich. »Ich dachte ja nur, es schadet nichts, Marguerite einmal wiederzusehen. Und es freut sie doch so, wenn man sich für ihr Drehbuch interessiert.«

    »Und andere Interessenten als dich gibt es nicht?«
    »Natürlich...aber ich kenne sie schon so lange. Und was hätte ich denn sagen sollen? Ich kann doch nicht immerzu keine Zeit haben!«
    »Du darfst natürlich tun, was du willst«, sagte Natalie steif.
    Sofort fing Claudine an, sich zu entschuldigen. »Natalie, ich wollte dich nicht ärgern. Ich habe Marguerite auch gleich gesagt, daß ich eigentlich nicht mehr filmen wollte ...«
    »Was heißt ›eigentlich‹?«
    »Eigentlich... ach, das habe ich nur so gesagt. Ich werde nicht mehr filmen, Nat, das ist doch klar. Sei mir nicht böse, bitte!« Claudines Stimme klang kindlich und hell.
    Nat seufzte. »Tut mir leid, Claudine. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Das Übliche wahrscheinlich.«
    »Hast du deine Tabletten dabei?«
    »Natürlich. Jede Menge. Dr. Guillaume hat mir meine tägliche Dosis sogar um fünf Milligramm erhöht, aber heute hilft das alles nichts. Dieses verdammte Essen heute abend! Ich fühle mich miserabel!« Und sehe miserabel aus, fügte sie in Gedanken hinzu. Sie kauerte, während sie telefonierte, mit angezogenen Beinen auf ihrem Bett und konnte sich in der Spiegelglastür des Kleiderschranks beobachten. Sie war blaß und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Sie würde eine Menge Make-up brauchen, um das zu vertuschen. Außerdem spürte sie sämtliche Vorboten ihrer Klaustrophobie, und diesmal würde auch das Valium nichts helfen. Die Situation überforderte sie. Es überforderte sie, David wiederzusehen. Und hinzu kam, daß sie sich in der obersten Etage eines zwanzig Stockwerke hohen Hauses aufhalten mußte, aus dessen Fenstern sie im Falle einer Gefahr unmöglich springen könnte. Ihre eigene Wohnung in Paris lag im Erdgeschoß, auch in Hotels achtete sie darauf, daß sie so weit unten wie möglich wohnte. Sie versuchte, sich die Worte ihres Therapeuten ins Gedächtnis zu rufen: »Hören Sie auf, ständig an Flucht zu denken, Natalie. Sie müssen sich vor nichts und niemandem fürchten. Sie führen ein schönes, erfolgreiches, interessantes Leben. Es gibt keinen Grund, Angst zu haben.«

    Ein schönes, interessantes, erfolgreiches Leben! Natalie verzog das Gesicht. Im Spiegel konnte sie sehen, daß sich ihre kurzen blonden Stirnhaare zu feuchten Kringeln verklebt hatten. Natalie Quint, die erfolgreiche Fernsehjournalistin. Eine eigene Talkshow in England hatte sie gehabt. Eine in den USA. Und jetzt eine in Frankreich. Und wer, verdammt, ahnte denn schon, wieviel Valium sie täglich brauchte, um das Studio überhaupt betreten zu können? Um zu einer Party oder auch nur in den Supermarkt zu gehen? Der jeweilige Produzent wußte es, der sie kurz vor einer Sendung

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