Schattenspiel
einmal Vorwürfe. Ich stelle nur Tatsachen fest.«
»Wozu? Wenn dich die Angelegenheit doch nicht interessiert, brauchst du mich auch nicht mit dummen Fragen nerven.« Gleich darauf schrie sie leise auf, denn David war herumgefahren und hatte ihren Arm gepackt, und sein Griff war so fest, daß er ihr weh tat. »Was ist denn? Laß mich los!«
»Ich will dir nur das eine sagen, Laura!« Sein Gesicht war dicht vor ihrem, sie konnte das zornige Funkeln in seinen Augen sehen. »Ich will dir sagen: Tu, was du willst, geh, wohin du willst, laß mich weiterhin im unklaren darüber, was hinter deiner Stirn vorgeht, aber wenn es da einen anderen Mann gibt, wenn ich dahinterkomme, daß du mich betrügst, dann, das schwöre ich dir, ist es aus. Dann werde ich dafür sorgen, daß du wieder dort landest, wo du hergekommen bist, und daß es dir dreckiger geht als jemals zuvor. Du wirst keinen Cent von mir bekommen, und du wirst merken, was es heißt, wieder ganz tief unten zu sein. Überleg es dir gut, Laura. Ich lasse nicht mit mir spielen!«
Unwillig machte sie sich los. »Laß das. Du tust mir weh. Was ist denn nur plötzlich in dich gefahren? Wie kommst du dazu, hier plötzlich so eine Szene zu machen?«
Davids Gesichtsausdruck veränderte sich. Er versuchte, sich zu entspannen.
»Entschuldige. Mir geht es nicht gut heute.«
»Ist es wegen deiner Freunde? Du wolltest sie doch hierhaben! Du hast sie eingeladen!«
David hatte endlich seine Krawatte gebunden. Er starrte angestrengt in den Spiegel. »Natürlich. Es geht ja auch alles nach Plan. Bloß – sie alle wiederzusehen nach so vielen Jahren, ist eine seltsame Situation. Ich hoffe, es wird nachher beim Dinner überhaupt irgend jemand den Mund aufmachen!«
»Sicher. Die Dunkelhaarige – wie heißt sie? Gina? – redet bestimmt!«
»Ich fürchte, die redet sogar zuviel.«
»Könnte sie unangenehme Wahrheiten ausplaudern?« fragte Laura spitz. David erwiderte nichts. Laura schlüpfte aus ihrem Bademantel. »Natalie ist lesbisch, oder?«
»Wie kommst du darauf?«
»Ich hab ein Gespür dafür. Frag mich nicht warum, aber ich weiß, sie ist es. Stimmt’s nicht?«
»Doch«, entgegnete David einsilbig, »du hast recht.« Im Spiegel konnte er sehen, wie sie nackt durchs Zimmer ging und an den Schrank trat, um dort ein Kleid herauszunehmen. Sie hatte eine weiche, helle Haut und den schönsten Körper, den er kannte. Als er an sie herantrat und sie von hinten mit beiden Armen umschloß, zuckte sie zusammen. Sein Kopf lag an ihrem Hals. »Mein Liebling! Komm, wir haben noch etwas Zeit. Laß uns...«
»Dann kann ich mit dem Schminken noch einmal von vorne beginnen.«
Seine Hände strichen von der Taille hinauf zu ihren Brüsten. »Wir haben Zeit, Laura. Sie werden nicht ohne den Gastgeber anfangen. Bitte, laß uns ins Bett gehen. Ich liebe dich.«
Wieder ein anderer Zungenschlag, dachte sie, während sie sich umdrehte und ihn küßte, eben gerade wolltest du mich noch rausschmeißen. Aber o. k., gehen wir statt dessen ins Bett!
Zu Beginn ihrer Beziehung hatte Laura gern mit David geschlafen. Er befriedigte vor allen Dingen ihr Bedürfnis nach Geborgenheit, von dem sie wußte, daß es sie unstillbar und ewig ihr ganzes Leben begleiten würde. Sex bedeutete für sie in erster Linie, daß sie sich an einen Menschen ankuscheln und sich für Augenblicke ganz und gar beschützt fühlen durfte. David gab ihr dieses Gefühl. In seinen Armen träumte sie, sie sei ein kleines Mädchen, das in einer großen, warmen Höhle Zuflucht findet. Manchmal stellte sie sich vor, David sei ein Bär, in dessen weiches Fell sie sich schmiegen konnte. Oft zog sie nachher ihren Pelzmantel an, kauerte sich in eine Ecke und trank langsam und genießerisch eine große Tasse Kakao. Tatsächlich liebte sie Kakao noch mehr als Champagner.
Seit einiger Zeit aber hatte sich etwas geändert. Immer öfter bedeutete es für Laura eine Überwindung, mit David ins Bett zu gehen. Sie konnte nichts dagegen tun, ihr Körper verkrampfte sich, alles an ihr verwandelte sich in geballte Abwehr. Oft dachte sie verzweifelt: Ich will ganz locker sein! Ich will, daß es heute funktioniert. Ich will wieder Lust empfinden! Es gelang ihr nicht, und je mehr sie darum kämpfte, desto schlimmer wurde es. Auch diesmal lag sie wie erstarrt da und hoffte nur, daß David es nicht so genau merkte. Zumindest sagte er nichts. Er stand schließlich auf, ging ins Bad, schaltete den Rasierapparat ein. Gewohnheitsmäßig begann er,
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