Schattenspiel
Moment!«
»Die Momente, die du dir aussuchst, um mich zurechtzuweisen, sind auch nicht unbedingt passend«, sagte Laura. Ihre Stimme schwankte, in ihren Augen glänzten Tränen. Brüsk erhob sie sich. »Ihr entschuldigt mich?« Schon hatte sie das Zimmer verlassen. Mit einem lauten Schlag fiel die Tür hinter ihr zu.
»Sie ist absolut hysterisch«, sagte David verärgert.
»Ihre Reaktion ist nicht hysterisch, sondern völlig normal«, meinte Natalie, »du kannst sie unmöglich vor uns allen so anfahren!«
»Das ist meine Sache, Nat, oder?«
Auf einmal war Feindseligkeit im Raum, beinahe greifbar, sie wurde jetzt nicht mehr durch aufgesetzte Fröhlichkeit oder gute Manieren und höfliche Phrasen kaschiert. Die alte Vertrautheit war wieder da – aber nicht freundschaftlich wie früher, sondern unverhohlen aggressiv.
»Also, ich finde das geradezu phantastisch«, sagte Steve. Mit angewidertem Gesichtsausdruck schob er sein Desserttellerchen von sich weg. Wie die anderen auch, hatte er von der geleeartigen Creme nichts angerührt. Nur Gina löffelte ihre Schüssel leer und murmelte irgend etwas von »ein wunderbares Zeug«.
»Geradezu phantastisch«, wiederholte Steve. »So ganz nebenbei erfahren wir, daß David Abhörgeräte in unsere Telefone eingebaut hat. Man sollte aufstehen, das Zimmer verlassen und überhaupt abreisen.« Er schaute von einem zum anderen, um zu sehen, ob sein Vorschlag Anklang fand. Steve war noch nie in der Lage gewesen, allein zu tun, was er für richtig hielt. Er mußte immer wenigstens einen Gesinnungsgenossen zur Seite haben.
»Ich würde gern wissen, warum du so etwas tust, David«, sagte Natalie. »Was meinst du, wenn du sagst, man ist von Feinden umgeben? Wen oder was fürchtest du?«
»Ich möchte dich etwas anderes fragen«, schaltete sich Gina ein, die mit ihrem Dessert fertig war. »Warum hast du uns eingeladen?«
Er lächelte, und dieses Lächeln war nicht ohne Bewunderung.
»Unsere zynische, egoistische Gina! Immer bringt sie die Dinge auf den Punkt. Warum ich euch eingeladen habe! Du hast schon begriffen, daß das die entscheidende Frage ist!«
»Können wir jetzt endlich erfahren, was los ist, oder mußt du dich für den Rest der Nacht in vagen Andeutungen ergehen?« fragte Natalie ungeduldig.
Alle schauten David an. Der erhob sich, musterte seine Freunde der Reihe nach und sagte dann langsam und betont: »Ich habe euch eingeladen, um herauszufinden, wer von euch mich umbringen will!«
In das verblüffte Schweigen hinein erklang das Schlagen einer Standuhr. Es war halb elf. Mit langsamen Schritten ging David aus dem Zimmer.
3
Es war kurz vor elf, als Gina ihr Zimmer verließ. Nach Davids Abgang hatte sich die Tischrunde sehr schnell aufgelöst. Es hatte noch ein paar Bemerkungen gegeben, wie »Mein Gott, ist er übergeschnappt?« und »Er hatte immer schon einen Hang zum Dramatischen, aber jetzt übertrifft er sich selbst!«.
»Ich gehe schlafen«, hatte Gina dann gesagt, und die anderen wollten sich ihr gleich anschließen. Früher wäre keiner von ihnen freiwillig ins Bett gegangen, ehe sie nicht mindestens eine Nacht lang über David und seine seltsamen Worte diskutiert hätten, aber inzwischen lagen zu viele Jahre dazwischen, zu viele Ereignisse, die sie nicht miteinander geteilt hatten. Es war ein Mißtrauen da, das sie nicht zueinanderfinden ließ.
Gina hatte keineswegs vor zu schlafen. Es war ihr klar, daß zumindest Steve vorhatte, David ebenfalls um Geld anzupumpen, und möglicherweise ging dieser Einfall sogar der großäugigen Mary im Kopf herum. In dieser delikaten Angelegenheit hatte auf jeden Fall die besseren Karten, wer als erster kam. Mary würde warten, bis sich zufällig eine Gelegenheit bot und dann
vermutlich kein Wort herausbringen. Steve würde zögern und zaudern und schließlich in einem völlig ungeeigneten Augenblick mit der Sprache herausrücken. Aber sie, Gina, würde es jetzt tun. Sofort.
Sie hoffte nur, daß sich David nicht gerade mitten in einer Aussprache mit Laura befand, sondern daß er im Gegenteil wegen des Streites allein war. Aus Erfahrung wußte sie: Männer, die Ärger mit ihren Frauen hatten, zogen sich meist in ihr Arbeitszimmer zurück und vergruben sich hinter ihrem Schreibtisch. Ungefähr wußte sie, wo Davids Arbeitszimmer lag, denn sie hatte gleich nach ihrer Ankunft das Hausmädchen über die Raumaufteilung ausgefragt. Davids Penthouse bestand aus zwei Etagen; in der oberen befanden sich die Wohnzimmer, das
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