Schattenspiel
als zerreiße es ihm die Brust. »Er hängt wieder an der Nadel.«
»Nein! Nein, um Gottes willen! Seit wann?«
»Seit drei Monaten ungefähr. Irgendwelche Kumpels von früher haben ihm wieder Stoff beschafft. Er vegetiert nur vor sich hin und hat nie Geld für den nächsten Druck.«
»Oh, Scheiße!«
»Können Sie ihm helfen?«
»Wo ist er?«
»Wo er immer war. In diesem entsetzlichen Keller.«
»Ich weiß nicht, ob...«
»Laura! Soviel ich verstanden habe, hattet ihr etwas miteinander, Sie und Ken. Er kann Ihnen nicht gleichgültig sein. Sie müssen ihm helfen, er hat niemanden sonst. Er braucht Geld, und er...«
»Das ist nicht der richtige Weg.«
»Einen zweiten Entzug übersteht er nicht. Er braucht Geld, und Sie haben Geld.«
»Ich habe eine Kreditkarte. Kein Bargeld.«
»Laura!« Joes Stimme klang gereizt und erschöpft. »Ihr derzeitiger Lover ist einer der reichsten Männer hier im Land. Sie werden doch wohl in der Lage sein, in seiner Wohnung an etwas Bargeld heranzukommen!«
»Im Augenblick weiß ich wirklich nicht...«
O Ken, warum mußtest du das tun? Ich wollte ein neues Leben anfangen, ohne dich. Ich wollte alles vergessen. Ich wollte nie wieder zurücksehen!
»Aber Ken zwang Sie zurückzusehen«, sagte der Inspektor, »und natürlich gingen Sie auch zu ihm. Sie gaben ihm Geld.«
»Ja. Es war falsch, das wußte ich, aber wenn Sie einmal einen
Abhängigen erlebt hätten, der um den nächsten Druck bettelt, würden Sie mich verstehen. Ich konnte es nicht ertragen, Ken vor mir auf den Knien liegen und vor Verzweiflung weinen zu sehen. Es machte mich krank. Ich flehte ihn an, noch einmal einen Entzug zu machen, ich sagte, ich würde alles versuchen, ihm einen Platz zu beschaffen, aber er antwortete nur immer, er würde nie wieder so etwas machen, lieber wollte er sterben. Ich konnte ihn nicht zwingen, oder? Ich konnte ihm nur seine Situation erleichtern. Also gab ich ihm Geld.«
»Woher nahmen Sie das Geld?«
Laura begegnete Kellys Blick offen. »Ich stahl es von David. Sehen Sie, ich hatte eine Kreditkarte, und konnte damit Tag und Nacht einkaufen, was immer ich wollte. Aber natürlich keinen Stoff für Ken. Dafür brauchte ich Bargeld. Ich nahm, was ich fand.«
»Ist es Mr. Bellino aufgefallen?«
»Nein. Er hatte überhaupt keinen Überblick darüber, was an Bargeld in der Wohnung herumlag. Er hatte viele Fehler, aber er war nicht kleinlich. Es kam ihm nicht in den Sinn, jeden Cent zu kontrollieren, den er irgendwann irgendwohin legte.«
»Gingen Sie oft zu Ken?«
»Ziemlich häufig. Ich machte mir große Sorgen um ihn, weil es ihm zeitenweise sehr schlecht ging. Schließlich war ich fast jeden Tag bei ihm.«
»Und das«, fragte Kelly, »fiel David Bellino auch nicht auf?«
Laura zögerte. »Anfangs nicht. Er hatte viel zu tun, er war viel unterwegs. Ich sagte ihm, ich würde durch die Stadt bummeln, mir die schönen Geschäfte anschauen, im Central Park joggen oder am East River spazierengehen. Das schien ihm alles einzuleuchten.«
»Aber es gab dann doch Spannungen zwischen Ihnen?« fragte Kelly beharrlich.
»Mein Gott, Inspektor! Ja, es gab sie! Wir hatten Krach. David spürte, daß etwas los war. Er merkte es an meinem Verhalten. Es war eine furchtbare Zeit... ich hatte so zwiespältige Gefühle David gegenüber. Ich hing an ihm, gleichzeitig konnte ich
seine... nun, seine Nähe kaum ertragen, verstehen Sie? Und das merkte er. Er begriff ja sonst wenig von anderen, weil er 24 Stunden am Tag damit beschäftigt war, sich um sich selbst zu drehen, aber meine Distanz konnte selbst ihm nicht verborgen bleiben.«
Natürlich nicht. Sie hatte auf einmal Probleme, mit ihm zu schlafen. Speziell an Tagen, an denen sie Ken besucht hatte, und da sie das schließlich beinahe täglich tat, wurden ihre Schwierigkeiten immer massiver. Sie konnte die Gedanken an ihn, an den feuchten Keller, an seinen erbärmlichen Zustand nicht verdrängen. Die Sorgen um ihn machten ihr so schwer zu schaffen, daß sich ihr ganzer Körper verkrampfte. Sie begann unter Migräne zu leiden, hatte Asthmaanfälle und brach häufig grundlos in Tränen aus, und all diese Dinge benutzte sie, um nicht mit David schlafen zu müssen.
»Ich habe schon wieder solches Kopfweh, David, mir ist ständig zum Weinen zumute.«
Eines Abends, als sie wieder mit abgewandtem Gesicht neben ihm im Bett lag, starr und bewegungslos, und seine Hände ignorierte, setzte er sich plötzlich auf und knipste das Licht an. Laura
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