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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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weiß, in welche Himmelsrichtungen es uns alle verweht«, sagte Gina überschwenglich. »Vielleicht werden wir nie wieder so zusammensein!«
    Natürlich hatten sie auch Mary pflichtschuldig gefragt, ob sie
mitkommen wolle, aber Mary hatte erklärt, das gehe nicht, sie müsse für Peter und das Baby sorgen. Ihre Tochter Cathy war gerade eine Woche alt.
    St. Brevin Les Pins lag an der Stelle, wo die Loire in den Atlantik mündet und bestand aus einer Menge kleiner weißer Häuser mit idyllischen Gärten. Das Dorf hatte eine sehr schöne Kirche, ein paar Cafes, Eisdielen, Kneipen, ein Kino. Wer hierher kam, tat es nicht, um sich in Trubel und Geselligkeit zu stürzen, sondern um sich Frieden und Beschaulichkeit hinzugeben. In St. Brevin konnte man baden und in der Sonne liegen, Eis essen und Boccia spielen, und abends in einem Bistro sitzen und sich unterhalten. Ruhe und Harmonie...fernab der Welt.
    So fern nicht, dachte Steve an diesem Abend, als Alans Anruf ihn erreicht hatte. Langsam legte er den Hörer wieder auf die Gabel. Er stand im Wohnzimmer des Ferienhäuschens, und draußen, hinter den hohen Bäumen am Ende des Gartens, flammte rotglühend die Abendsonne. Über dem Verandageländer hingen nasse Badeanzüge. Durch die geöffnete Tür konnte er den Geruch von Sonnenöl wahrnehmen, der aus den Handtüchern auf den Liegestühlen stieg. Ein Turnschuh lag auf der Treppe, die in den Garten führte. Federballschläger, eine Frisbeescheibe, ein Paar Sandalen und eine Sonnenbrille waren im Gras verstreut. Auf einer Bank lag ein Fotoapparat.
    Gina hat schon wieder ihren Fotoapparat draußen gelassen, dachte Steve mechanisch, ich muß ihn reinholen, sonst wird er naß vom Tau. Aus der Küche erklangen lachende Stimmen, Gekichere und Geschrei.
    »Schau mal, wie David die Tomaten schneidet! Glaubst du, so kann die nachher noch einer essen?«
    »Gina, diese Eier kochen jetzt bestimmt eine halbe Stunde. Mit denen können wir einander ja die Köpfe einschlagen!«
    »Nat hat recht! Au! Jetzt hab’ ich mir auch noch die Finger verbrannt! Kaltes Wasser schnell!«
    Man könnte meinen, da sind hundert Leute beschäftigt, ein Abendessen zu machen, nicht bloß drei, dachte Steve.
    Noch vor zehn Minuten hatte er dazugehört, war ebenso ausgelassen
gewesen. Jetzt war ihm kalt geworden vor Angst, er hörte sein eigenes Herz schlagen.
    Er griff seine Autoschlüssel und verließ leise das Haus. Das Auto war heiß von der Hitze des Tages. Steve kurbelte alle Fensterscheiben herunter, öffnete das Schiebedach und fuhr los.
     
    Die beiden ungleichen Brüder saßen einander im Bahnhofsrestaurant von Nantes an einem Tisch gegenüber. Alan hatte sich ein Bier bestellt, Steve einen Cidre. Sie sprachen nur sehr leise, denn das Restaurant war voll von Menschen.
    Auf den ersten Blick hatte Alan eines erkannt: Steve würde die ganze Geschichte nur durchstehen, wenn er die Wahrheit nicht kannte. Wäre ihm erst einmal klar, daß Alan die Bombe tatsächlich gelegt hatte, würde er spätestens im Zeugenstand zusammenbrechen. Inzwischen berichteten alle Radiosender von dem Attentat, und niemand vergaß, das achtjährige Mädchen zu erwähnen. Alan konnte sich bereits die Schlagzeilen der Boulevardpresse vorstellen; und sicher würde man auch Fotos des Kindes auftreiben, mit einem Teddy im Arm oder einem Meerschweinchen.
    Schrecklich, das mit dem Kind. Wer hatte damit rechnen können – es kamen nie Kinder ins »Black Friars«. Es kamen auch ganz selten Frauen, deshalb hatte er ja den Einfall gehabt, die Bombe in der Damentoilette zu installieren. Die Wahrscheinlichkeit, daß sie dort zu früh entdeckt wurde, war äußerst gering.
    Er hatte Steve eine Geschichte erzählt, die eine Mischung war aus Wahrheit und Lüge. »Und du hast wirklich ganz bestimmt nichts mit der Bombe zu tun?« fragte Steve zum hundertsten Mal.
    Alan schüttelte den Kopf. »Nein. Aber Freunde haben mich gewarnt. Ich bin von einem anonymen Anrufer bei der Polizei in Plymouth denunziert worden.«
    »Wieso wirst du denunziert, wenn du es nicht warst?«
    »Irgend jemand scheint mich nicht leiden zu können.«
    Sie schwiegen beide. Schließlich sagte Steve: »Aber du bewegst dich in IRA-Kreisen.«

    »Ja«, erwiderte Alan. »Hilfst du mir trotzdem?«
    »Natürlich«, sagte Steve, aber bei sich dachte er verzweifelt: Verdammt, Alan, wie konntest du das tun? Wie kannst du mich in solche Schwierigkeiten bringen? Warum?
    »Hör zu«, sagte Alan, »ich bin gestern früh bei euch in St.

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