Schattenspur
Travis ein. „Würdest du vielleicht vorbeikommen und mal an den Opfern schnüffeln? Wir bezahlen deine Dienste auch gern in Naturalien.“
Sie lachte. „Ihr braucht mich nicht, denn du, Wayne, kannst das auch mit deiner Gabe feststellen.“
„Wie?“
„Ein Seelenfresser geht nicht sanft zu Werke, sondern entreißt seinem O p fer die Seele gewaltsam. Dadurch bleiben gewisse Rückstände in dessen Geist zurück.“ Sam schwieg einen Moment. „Die Seele löst sich nicht freiwillig vom Körper, wenn sie angegriffen wird. Sie setzt dem Widerstand entgegen, klammert sich sozusagen fest. Das hat auf mentaler Ebene den Effekt, als würden zwei Leute mit einem Stück Stoff Tauziehen spielen. I r gendwann reißt der Stoff und lässt an den Risskanten ausgefranste Fasern zurück. So fühlt sich für einen Telepathen oder Empathen auch der Rest von dem an, was einmal die Seele des Menschen war. Anders kann ich es nicht beschre i ben. Aber solche Fransen bleiben immer zurück, wenn ein Seele n fresser am Werk war.“
Wayne rief sich ins Gedächtnis, was er in dem Bewusstsein der Opfer g e fühlt hatte. Er schüttelte den Kopf. „Da war nur eine Art schwarzes Loch. Eine absolute Leere.“ Ihn schauderte bei der Erinnerung. „Glatt, wenn du so willst. Das Einzige, was noch spürbar blieb, war ein Gefühl von Kälte und Dunkelheit.“
„Gefühle? Dann leben die Seelen noch und wurden definitiv nicht gefre s sen. Also, was immer ihr sucht, ein Seelenfresser ist es nicht. Theoretisch könnte es sogar ganz profane psychologische Ursachen haben wie zum Be i spiel ein Trauma. Oder es war einer von geschätzten zweihundert Dutzend Zaubern aus verschiedenen Kulturkreisen und Dimensionen.“
„Das hilft uns mächtig weiter.“ Travis verzog das Gesicht.
„Danke, Sam. Das hilft uns tatsächlich etwas weiter.“
„Ihr könntet es auch mit einem Seelensammler zu tun haben. So einem Wesen bin ich schon mal begegnet. Falls ja, dann sammelt er die Seelen in einem Gefäß oder mehreren Gefäßen. Die, mit der ich es zu tun hatte, hat sie in ihrem Körper gesammelt. Wenn das Gefäß oder der Körper zerstört wird, kommen die Seelen wieder frei. Wartet mal eine Minute.“
Wayne hörte, dass sie ein Wort flüsterte. Offenbar wandte sie einen Zauber an.
„Ich kann euch beruhigen. Kein Seelenfresser im Radius von gut siebe n hundert Meilen um Savannah. Und seit knapp dreihundert Jahren hat sich auch keiner dort herumgetrieben. Zumindest kein dämonischer. Gegenwärtig hält sich überhaupt kein Dämon in Savannah und Umgebung auf. Was immer mit den Leuten passiert ist, hat also andere Ursachen.“
„Danke, Sam.“
„Jederzeit gern, Jungs.“
Sie hatte die Verbindung unterbrochen, bevor Wayne noch etwas sagen konnte. Er steckte das Smartphone ein und war einmal mehr dankbar, eine Dämonin zu kennen, die auf der Seite der Guten stand und über ihresgle i chen verlässliche Informationen liefern konnte. „Das wäre also geklärt.“ Er stand auf. „Ich werde Ms. Renard auf den Zahn fühlen.“
„Viel Glück. Falls du Hilfe brauchst, hast du ja meine Telefonnummer.“
Ein alter Scherz zwischen ihnen, seit sie bei einem Fall undercover in einer Schwulenbar ermittelt hatten. Wayne hatte sich drinnen umgesehen, während Travis draußen beobachtete. Einer der Männer in der Bar hatte ein Auge auf Wayne geworfen und ihm nachdrückliche Avancen gemacht, die er nicht hatte abwehren können, ohne seine Tarnung auffliegen zu lassen. In seiner Not hatte er sich, verfolgt von dem Mann, auf die Straße geflüchtet, wo Tr a vis das sich anbahnende Drama von seinem Beobachtungsposten aus gesehen und interveniert hatte, indem er sich als Waynes Lover ausgab. Daraufhin hatte der Möchtegern-Romeo sich enttäuscht getrollt. Travis hatte Wayne seine Visitenkarte mit seinen sämtlichen Telefonnummern zugesteckt, die Wayne nicht nur schon lange in sein Smartphone einprogrammiert hatte, sondern auch auswendig kannte und mit einem verschwörerischen Auge n zwinkern gesagt: „Verlier sie nicht, damit du meine Telefonnummern immer griffbereit hast, falls du wieder mal Hilfe brauchst.“
Seit jenem Abend machte Travis sich einen Spaß daraus, Wayne mit der Bemerkung aufzuziehen, er habe ja seine Telefonnummern, falls er Hilfe brauchte, wann immer sie sich vorübergehend für die Ermittlungen trennen mussten. Wayne tastete theatralisch seine sämtlichen Hemd- und Hosent a schen ab, tat, als hätte er sie in der Hemdtasche ertastet und seufzte
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