Schattenspur
Menschen entdeckt werden konnte. Auch wenn Kia Priesterin des Feuers war, konnte sie es finden. Sie setzte sich auf das Bett, schloss die Augen und ließ ihren Geist wandern, konzentrierte sich auf das Besondere in der Macht ihrer Großmutter, das sie stets in ihrer G e genwart spürte und von dem sie wusste, dass sie es auf das Artefakt übertr a gen hatte, als sie es erschuf. Die Aura, wie Großmutter diese Art der Ene r gie nannte, ist bei jedem Menschen individuell und überträgt sich auf alles, mit dem er in engeren Kontakt kommt. Je länger der Kontakt dauerte und je intensiver er war, desto intensiver wurde diese Übertragung, was wieder die Identifizierung von Gegenständen erleichterte. Und deren Auffinden.
Vielleicht – nein, mit Sicherheit wäre es besser gewesen, wenn sie auf Großmutter gehört und ihre Fähigkeiten, ihre Gabe, noch besser geschult und trainiert hätte. Aber sie hatte sich so sicher gefühlt, dass Louis sie hier nicht finden konnte, dass sie das vernachlässigt hatte. Und Großmutter und die anderen der Opfer zahlten nun den Preis dafür. Wenn sie das Artefakt nicht fand, würde es noch mehr Opfer geben. Sie schob diese Gedanken beiseite und konzentrierte sich. Als Erstes nahm sie Charlie wahr, der im Laden mit dem Rücken am Tresen lehnte, die Pistole in der Hand, und ung e duldig mit dem Fuß wippte.
Komm schon, Joy, beeil dich. Was dauert denn da so lange?
Er war nervös, und es würde nicht mehr lange dauern, bis er nachsehen kam, wo sie blieb. Sie musste sich beeilen. Sie spürte das Licht, das ihn umgab und das von dem Ouanga-Beutel stammte, den Großmutter für ihn angefe r tigt hatte. Ein Talisman, der ihm beruflichen Erfolg bringen sollte. Sie nahm andere Lichter wahr, die ebenfalls von der Arbeit ihrer Großmutter stam m ten. Es waren so viele. Kein Wunder, dass Alma Renard eine Institution im Historic District darstellte.
Alma, wenn das Amulett funktioniert, kaufe ich künftig meinen Kaffee nur noch bei dir und niemand anderem.
Rupert Solomon. Sie lächelte. Er war einer der letzten Kunden von Gro ß mutter gewesen und auf Empfehlung seiner Schwester gekommen. Kia wollte sich abwenden, als sie etwas wahrnahm, das ihr einen eisigen Schauder über den Rücken jagte. Sie spürte die Präsenz, die sie bei Großmutter gefühlt hatte, als sie versucht hatte, sie aus dem Zustand zu holen, in den Louis sie versetzt hatte. Dieselbe Präsenz, die versucht hatte, in ihr Bewusstsein einzudringen, als sie genug damit zu tun hatte, die Fragen der FBI-Agents zu beantworten, ohne irgendwas zu verraten; was ihr Kopfschmerzen verursacht hatte.
Louis! Keine Frage. Im nächsten Moment sah sie ihn durch Rupert Solomons Augen mit einem gemeinen Grinsen im Gesicht vor dem Mann stehen. Sie spürte Ruperts Erschrecken, Entsetzen.
Was zum Teufel … Wer sind Sie? Wie sind Sie reingekommen? Ich …
Sie nahm ein Echo wahr, als säße in Ruperts Kopf noch jemand und wäre über Louis’ Auftauchen bei ihm ebenso erschreckt wie Rupert selbst. Sie nahm Louis’ Triumph wahr: Du gehörst jetzt mir. Und morgen hole ich mir deine Schwester.
Kia zog sich so schnell zurück wie sie nur konnte, bevor Louis bemerkte, dass sie da war. Jetzt noch weiter nach dem Artefakt zu suchen, nachdem Louis sich gerade wieder eine Seele geholt hatte, war keine gute Idee. Es wäre sogar eine sehr schlechte Idee. Sie konnte nicht ausschließen, dass er sie doch noch wahrgenommen hatte. Falls ja, würde er in den nächsten Stunden alles daransetzen, sie mit seiner Gabe zu finden, bis er dazu zu erschöpft wäre. Was mindestens zwei bis drei Stunden dauern würde, wahrscheinlich länger. Wenn sie sich in dieser Zeit ebenfalls auf der Suche befand, wäre ihr Geist für seinen wie ein Leuchtfeuer. Allein der Gedanke, dass ihr Geist seinen berü h ren könnte, verursachte ihr Übelkeit. Was sie gerade mitbekommen hatte, war schlimm genug, obwohl es kein direkter Kontakt gewesen war.
Sie beendete hastig die Trance und atmete ein paar Mal tief durch, ehe sie aufstand. Sie musste morgen nach dem Artefakt suchen. Während Charlie zur Arbeit war, hatte sie genug Ruhe und Zeit dafür. Da sie mitbekommen hatte, wer Louis’ nächstes Opfer sein würde – Rupert Solomons Schwester – mus s te sie nicht lange suchen, um ihn zu finden. Mit etwas Glück und wenn die Loas ihr gnädig waren, konnte sie ihn morgen Abend erledigen.
Sie nahm eine alte Blechdose, in der vor Ewigkeiten einmal Ingwerplät z chen gewesen waren, die
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