Schattenstürmer
feiern. Da Jok bis zum Wettkampf aber noch etwas Zeit blieb, eilte er nun zu jener einen, zu der ihn sein Herz rief.
In der Straße der Früchte drängten sich genauso viele Menschen wie in den anderen Teilen der Stadt, auch hier wurde er von allen Seiten angesprochen. Doch erst vor einem großen Laden, der Obst und Gemüse feilbot, blieb Jok stehen, öffnete die Tür und trat ein. Die Glocken klimperten freundlich, um dem Besitzer das Eintreffen eines neuen Kunden anzuzeigen. Da heute jedoch ein Feiertag war, konnte von irgendeinem Handel keine Rede sein. Stattdessen stand mitten im Raum ein Tisch, um den sich ein paar Leute versammelt hatten, die Bier tranken.
»Ah, Jok, mein Junge«, begrüßte ihn einer der Männer. »Wie schön, dich zu sehen! Komm nur her, was zierst du dich so! He, schenkt dem Jungen doch ein Bier ein!«
»Danke, Meister Loter, aber besser nicht. Heute ist das Turnier, da gilt es, einen klaren Kopf zu bewahren.«
Der Ladenbesitzer schlug sich gegen die Stirn. »Das hab ich doch glatt vergessen! Was ist nur mit meinem Gedächtnis los?! Und, mein Junge? Wirst du es ihnen allen zeigen?«
»Das will ich versuchen«, antwortete Jok.
»Schieß einen Pfeil in meinem Namen ab.« Loter reichte Jok einen Pfirsich.
»Du wirst es heute nicht leicht haben, Junge«, krächzte da der Wirt von der Schenke neben Meister Loters Laden. »Bei diesem Gegner!«
»Was faselst du da, du Dummkopf?«, fuhr ihn Loter an. »Wer kann Jok Imargo schon das Wasser reichen?«
»Von den Menschen keiner. Aber ein Elf … Da würde ich keine Goldmünze auf Jok setzen, tut mir leid, Junge.«
»Wovon bei allen Göttern redest du? Was für Elfen?«
»Was für Elfen wohl, Loter? Ganz gewöhnliche dunkle Elfen mit Fangzähnen. Sie sind viel bessere Bogenschützen als wir Menschen.«
»Und was zum Dunkel haben Elfen mit unserem Turnier zu tun?«, mischte sich ein Fleischer ein.
»Eine ganze Menge! Lebt ihr eigentlich hinterm Mond? Habt ihr etwa noch nicht gehört, dass heute eine Abordnung dunkler Elfen aus dem Haus … wie hieß es doch gleich … ach ja, aus dem Haus der Dunklen Rose zum König gekommen ist? Und wer führt diese Abordnung an? Der Erbe dieses Hauses namens soundso! Und dieser Erbe hat den Wunsch geäußert, am Turnier teilzunehmen, genauer am Wettstreit im Bogenschießen. Deshalb wird das heute kein Zuckerschlecken, mein Junge. Einen Elfen wirst du nicht so leicht besiegen.«
»Warten wir’s ab!« Ungerührt zuckte Jok mit den Achseln. Er schenkte Gerüchten nie viel Glauben. »Wo ist denn Lia, Meister Loter?«
»Im Garten. Geh nur zu ihr«, erwiderte Loter freundlich.
Sobald Jok gegangen war, grinste der Schankwirt. »Habt ihr bemerkt, wie zornig er geworden ist, als ich von den Elfen angefangen habe?«, fragte er.
»Was redest du da für Unsinn?! Jok ist ein guter Junge, er war nicht zornig.«
»Du musst es ja wissen, Loter, schließlich macht er deiner Tochter den Hof, nicht meiner«, kicherte der Wirt und erhob sich. Er hatte gesagt, was er sagen sollte. Der Herr würde mit ihm zufrieden sein.
Meister Loter galt bei seinen Bekannten als ein reicher Händler. Der Verkauf exotischer Früchte erwies sich als einträglich, er belieferte etliche Adlige der Hauptstadt, ja, sogar den König. Das Geld floss in Strömen, so war es nicht verwunderlich, dass sich der Innenhof seines Hauses in einen blühenden Garten mit drei rauschenden Springbrunnen verwandelt hatte. Neben einem dieser Brunnen saß eine junge Frau auf einer Bank und stickte. Auf dem weißen Stück Stoff waren bereits eine blutrote Mohnblume und eine himmelblaue Glockenblume erblüht. Neben der Frau saß ein etwa siebenjähriger Junge, der ein kleines Schiff im Brunnen schwimmen ließ.
»Lia«, sagte Jok, als er sich der jungen Frau näherte.
Sie hob den Blick von der Stickarbeit und lächelte. Dieses Lächeln liebte er.
»Jok! Wie schön, dass du gekommen bist!«
»Hast du etwa gedacht, ich hätte dich vergessen?«, fragte er.
»Nein, aber heute ist doch das königliche Turnier und …«
»Kein Turnier – welches auch immer – ist einen Blick aus deinen Augen wert!«
Lia lächelte verlegen, legte die Stickerei beiseite, erhob sich mit graziösem Schwung und entnahm einer großen Obstschale eine Erdbeere. »Möchtest du auch eine?«
»Nein, danke, dein Vater hat mir schon einen Pfirsich gegeben.« Er zeigte ihr die saftige Frucht mit der samtenen Haut.
»Dein Pech.« Sie biss in die pralle Beere.
»Ich werde dieses Turnier
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