Schattenstürmer
offenbar hatte dieses Mal jemand meine Hand geführt.
Ich traf. Allerdings nicht den Alten, sondern die Lampe. Sie zersprang, und die Flamme schlug Blag entgegen. Der Alte heulte auf, warf sich zu Boden und wälzte sich, um das Feuer zu ersticken. Dieses fraß ihm bereits den Bart und die Kleidung an. Wie gebannt sah ich dem schrecklichen Schauspiel zu, und erst in der allerletzten Sekunde bemerkte ich das wütende Funkeln jener bernsteinfarbenen Augen.
Ein schwarzer Schatten stürzte sich auf mich. Da ich unwillkürlich zurücksprang, griffen die krallenbewehrten Hände, die mir nur zu gern das Herz herausreißen wollten, ins Leere. Fast.
Denn die Krallen zerrissen mir schon das Hemd. Und irgendwo in meinem Bauch explodierte der Schmerz. Ich glaube, ich stieß noch einen Schrei aus, bevor die Welt in tausend Splitter der Marter zerbarst.
Kapitel 7
Freunde und Feinde
Das Dunkel des Universums und das eisige Feuer der Magie. Eine Welt in der Welt, ein Traum im Traum, ein Tropfen im Tropfen, ein Spiegel im Spiegel …
Ich war schon einmal hier gewesen. Aber wann? Vor einer Ewigkeit? Ach ja! Das war an jenem Tag, da Miralissa den Schlüssel für das Flügeltor in Hrad Spine meinem Bewusstsein angepasst hatte. An jenem Abend war ich in das Dunkel des Nichts gefallen, in den Traum des Traums, in dem unzählige feurige Schneeflocken, geboren aus der purpurroten Flamme des Kronk-a-Mor, durch die Luft stoben.
Im Unterschied zum letzten Mal fror ich jedoch. Es war sehr kalt. Kälte und Schmerzen, das war vielleicht alles, was ich wahrzunehmen vermochte.
Mein Körper zuckte krampfhaft, eben wegen der Kälte oder der Schmerzen. Was wohl das schlimmere Leid verursacht? Die Antwort konnte mir allerdings gestohlen bleiben. Wenn ich nur von hier wegkäme! Wenn ich nur an einen freundlicheren und weniger geheimnisvollen Ort käme! Doch all meine Versuche, dem Nichts zu entkommen, scheiterten. Ich war hilflos und fror immer stärker.
Kalt, kalt, kalt, kalt, kalt …
Irgendwann meinte ich, in meinem Bauch hätten sich unersättliche Blutegel eingenistet, die mir schreckliche, mit nichts zu vergleichende Schmerzen zufügten. Ohne diesen eisigen Wirbelsturm aus stechenden Schneeflocken, der mich in einem fort von den glühenden Kohlen in meinen Eingeweiden ablenkte, hätten mich die Schmerzen um den Verstand gebracht. Natürlich konnte keine Rede davon sein, mir zu besehen, was die Krallen des Sendboten in meinem Bauch angerichtet hatten. Ich glaube, wenn ich diese Verletzungen auch nur für den Bruchteil einer Sekunde zu Gesicht bekommen hätte, so hätte ich gewiss das Bewusstsein verloren.
Der Schmerz pulsierte, wuchs, verdoppelte sich, vervielfältigte sich in meinem Innern wie in einem endlosen Spiegelkabinett. Er leckte sich mit scharfen Zungen durch meinen Körper und trieb mich in den Wahnsinn. Nun kannte ich die schlimmste aller Torturen.
In dem lautlosen Reigen aus feurigen Schneeflocken erklang ein gleichmäßiges Hämmern. Ich begriff nicht gleich, dass es meine Zähne waren, die mit ihrem Zittern dem Herrn dieser Welt – diesem Feuerschnee, der die Kälte brachte – Tribut zollten.
Das Dunkel hatte den Wind geweckt, jenen Wind, der mir schon einmal aus der Vergangenheit Träume gebracht hatte, Träume von Menschen, Elfen, Gnomen, Orks und vielen anderen Wesen, die alle längst tot waren. Nun fegte mir dieser Wind die spitzen Kristalle eisigen Feuers ins Gesicht. Ich wollte mein Gesicht abwenden oder es zumindest mit den Händen bedecken, doch stachelte dieser klägliche Versuch nur die Egel des Schmerzes in meinem Bauch an. Sie spürten sofort, dass ich aufgehört hatte, gegen sie anzukämpfen. Sofort bohrten sie sich mir tiefer in die Eingeweide. Ich heulte vor Schmerz und Entsetzen auf.
Schmerz und Kälte. Kälte und Schmerz. Das kalte Feuer des Schnees und der lodernde Schnee des Feuers. Was brächte mich als Erstes um? Ich würde eine Goldmünze auf die Kälte setzen. Über den Schmerz konnte man sich hinwegsetzen, gegen ihn konnte man ankämpfen, ihn konnte man zeitweilig einfach vergessen. Der Schmerz ist lebendig, er pulsiert und atmet. Sobald du begreifst, dass der Schmerz nicht allmächtig ist, kannst du dich mit ihm einigen, ihn vielleicht sogar besiegen.
Nicht aber die Kälte. Sie ist seelenlos und allem Lebenden gegenüber gleichgültig. Sie ist gefährlich. Anfangs quält sie dich und verbrennt dir die Finger, doch dann trachtet sie, dich einzuschläfern, gaukelt dir Wärme und Ruhe vor und
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