Schattenstürmer
schon. Trotzdem musst du diesmal allein durchs Feuer gehen. Wir werden nicht immer in deiner Nähe sein. Nicht immer wird dich der Janga mit den Schatten an den Fallen im Hause der Kraft vorbeileiten. Irgendwann musst du dich ihnen allein stellen.«
»Das Haus der Kraft?!«, schrie ich. »Habt Ihr gesagt das Haus der Kraft ?! Kennt Ihr denn auch das Haus der Liebe, des Schmerzes und der Furcht?«
»Ja.«
»Und den Herrn? Wer oder was ist er? Wisst Ihr etwas über den Herrn?«
»Ja«, antwortete die Dritte.
»Dann erzählt es mir! Das ist wichtig!«
»Eben noch konntest du gar nicht schnell genug von hier wegkommen, Tänzer, und jetzt dürstest du nach Wissen«, entgegnete die Erste kalt. »Für das Wissen muss man jedoch bezahlen. Bist du dazu bereit?«
»Das kommt auf den Preis an!« Meine alten Diebesgewohnheiten geboten mir Vorsicht. Willige nie in etwas ein, bevor du nicht weißt, wie hoch der Preis ist.
»Wenn du etwas über die vier Häuser und den Herrn erfahren willst, musst du bei uns bleiben.«
»Dann ist dieses Wissen für mich nichts wert, denn ich brauche es für meine Welt.«
»Tut mir leid, aber deine Welt ist für dieses Wissen noch nicht bereit«, erwiderte mir die Zweite voller Bedauern. »Vorwärts, Tänzer, das Feuer wartet auf dich!«
»Lebt wohl, Schatten!«
»Leb wohl! Wir sehen uns bald wieder, Tänzer! Denk daran, dass dir der Janga mit den Schatten nicht immer den richtigen Weg weist.«
»Vergiss unsere Worte nicht!«
»Gib auf dich acht!«
Sie schrien mir noch etwas hinterher, aber das verstand ich schon nicht mehr. Das Feuer griff mit zischenden Zungen nach mir.
»Du bist mein!«, fauchte die purpurrote Flamme.
»Du bist unser!«, verkündeten die hungrigen Feuerzungen.
Ich neige nicht zu wahnsinnigen und unüberlegten Handlungen, aber offenbar war nun die Zeit für sie gekommen. Was hatten die Frauen gesagt? Der Schattentanz bringt einen nicht immer durchs Feuer? Nein, es war noch etwas anderes gewesen …
Das Feuer versengte mir das Gesicht, meine Haare knisterten bedrohlich. Von meinen Händen, mit denen ich mir das Gesicht bedeckte, schälte sich die Haut.
Beim letzten Mal hatte ich es allein dem Janga, diesem wahnsinnigen Tanz, in den mich die drei Schatten gezogen hatten, zu verdanken gehabt, dass ich die Flammen dieser unwirtlichen Welt durchbrechen und nach Siala zurückkehren konnte.
Diesmal gab es keinen Tanz und keine Schatten. Ich stand dem gierigen Feuer ganz allein gegenüber.
»Du bist mein!«, heulte die Flammenwand.
»Du bist mein!«, krächzte ich.
Kurz tat sich ein fadendünner Weg im Feuer auf. Ohne weiter nachzudenken, sprang ich in die Röhre aus Flammen. Siegesgewiss heulte die Wand auf, als sie mich aufnahm. Obwohl der Schmerz der Verbrennung wie eine glutrote Blüte aufging, fingen meine Haare und meine Kleidung kein Feuer. Die Flamme winselte enttäuscht. Bevor die Stille über mir zusammenschlug, begriff ich, dass ich es trotz allem geschafft hatte, durch die Wand zwischen den Welten zu brechen. Ohne einen Janga mit den Schatten getanzt zu haben.
In meinem Kopf dröhnte es, in meinem Mund schien ein Igel zu hausen, mein Nacken brachte sich mit einem deutlichen Pulsieren in Erinnerung. Als ich die Augen öffnete, heulte ich. Da ich nichts klar zu erkennen vermochte, verstand ich nicht gleich, wo ich diesmal gelandet war.
»Guten Morgen!« Die Stimme ließ mich den Kopf in Richtung des Sprechers drehen.
»Bezeichnest du das als einen guten Morgen?«, fragte ich.
»Immerhin leben wir noch«, erwiderte Aal.
»Sind wir schon lange hier?«
»Seit gestern Morgen. Was macht dein Kopf?«
»Erinner mich nicht an den!«, bat ich. »Er dröhnt wie ein Bienenstock in Aufruhr! Ich wurde nämlich ziemlich rüde in diese Kutsche verfrachtet!«
»Ja, ich habe mir schon Sorgen um dich gemacht, du wolltest einfach nicht wieder zu dir kommen und hast in einem fort gestöhnt.«
»Ich habe schlecht geträumt«, murmelte ich, als mir die Wanderung durch die dunklen Gänge im Gefängnis des Herrn und die mysteriöse Welt aus Feuer und Schnee einfielen, diese Welt des Chaos, die nach den Worten der Schatten zum Tode verdammt war.
Ein Traum! Es war wieder einmal nur ein Albtraum! Ich schielte auf meinen Bauch. Eben! Mein Hemd war nicht von den Krallen des Sendboten zerrissen oder von der purpurroten Flamme versengt worden. Außerdem war ich heil und unversehrt, von den Kopfschmerzen, die mir die Bekanntschaft mit einem Knüppel eingebracht hatte, und den
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