Schattenstürmer
setzte ich eine bekümmerte Miene auf, hielt es aber nicht für nötig, ihm etwas zu erklären.
Kli-Kli und Deler waren bereits die Treppe hochgerannt und erwarteten uns an der Tür, die in die Freiheit führte.
Vor der Tür lag Herr Risus. Tot. In seinem Rücken steckten als stummes Mahnmal zwei schwarze Pfeile. Ell hatte sich das Gesicht mit schwarzer und grüner Farbe bemalt und wartete nun mit gespanntem Bogen auf uns. Die Elfen sind nicht gerade für Großherzigkeit gegenüber ihren Feinden bekannt und zögern nicht, den Rücken eines Gegners mit Pfeilen zu spicken, wenn dieser die gelbäugigen Wesen förmlich dazu einlädt.
»Wie hast du ihn ausgeschaltet?«, fragte ich den dunklen Elf und schielte zur Leiche des Schamanen hinüber.
Risus stellte nicht länger eine Gefahr dar. Ein kleiner und schmächtiger Mann, der den Elfenpfeilen zum Opfer gefallen war. Der Tod tilgt jede Bedrohung.
»Bist du blind, Garrett? Wie wie er gestorben ist ?«, fragte mich Kli-Kli höhnisch. »Siehst du vielleicht diese Pfeile da?«
»Das meine ich nicht!« Über die Begriffsstutzigkeit des Kobolds konnte ich mich nur wundern. »Ich will wissen, wie er es geschafft hat, einen Schamanen zu ermorden?«
»Einen Schamanen?«, brummte Arnch, der uns gerade erreichte und von Kopf bis Fuß in Eisen gepackt war. Neugierig betrachtete er Risus’ Körper.
»Er kann hundertmal ein Schamane sein, Garrett, aber wenn dich von hinten überraschend ein Pfeil zwischen die Schulterblätter trifft, dann hilft dir dein ganzes Schamanentum nichts mehr«, erklärte Ell. »Oder hast du geglaubt, wir hätten die Schamanen der Orks in Sagraba mit Schwertern bekämpft?«
Nein. Das hatte ich nicht geglaubt. Ein Pfeil aus einem Gebüsch, und die Sache war geritzt.
»Hierher!«, erschallte von irgendwoher Marmottes Stimme. Es folgten Schreie und Waffengeklirr. Schließlich erklang noch Geläute und Gekreisch. Mylord Alistan musste sich mit seinem Schwert aus singendem Stahl in den Kampf eingemischt haben.
Als wir herausstürmten, war bereits alles vorüber. Der Eichenschild Alistans hatte zwar eine Delle davongetragen, Marmotte fehlte der rechte Jackenärmel, aber niemand war verletzt – was man von unseren Gegnern allerdings nicht gerade behaupten konnte. Drei Handlanger des Unaussprechlichen lagen tot im Gras, einer krümmte sich noch, stöhnte und hielt sich den Bauch.
Eben, das ist kein Märchen. Denn nur im Märchen sterben die Menschen ehrenvoll und schweigend. Im Leben dagegen quälen sie sich lange, jammern und leiden. Zwischen den bleichen Fingern des Verletzten quoll Blut hervor. Der Kerl war wie ein Schwein geschlachtet worden.
Da hob Arnch sein Schwert und ließ es niedersausen. Der Mann verstummte für immer.
»Gehen wir!«, befahl Markhouse, sobald er uns sah. »Bei dem Lärm wird gleich die ganze Brut hier sein!«
Also rannten wir los. Das heißt, Kli-Kli und ich rannten los, die anderen zogen sich geordnet zurück, zu Stellen, die bereits im Vorfeld ausgemacht worden waren und die von Met und Lämpler sowie von Egrassa und Miralissa mit ihren Pfeilen gesichert wurden; keiner der vier hatte am Kampf teilgenommen. Ohm war nirgendwo zu sehen. Vermutlich war er aufgrund seiner Verletzungen in der Schenke geblieben.
Hinter mir schrie jemand, ein Armbrustbolzen pfiff durch die Luft, ich warf mich zu Boden und hätte dabei beinahe den Ling zerquetscht. Egrassa, Miralissa und Ell, der die beiden inzwischen erreicht hatte, eröffneten nun ihrerseits das Feuer. Sie zielten auf Fenster und Tür. Die drei eifrigsten Verfolger, die ihr Glück in einem ehrlichen Duell versuchen wollten, fingen sich Pfeile in die Brust ein, gingen zu Boden und verhinderten damit, dass die übrigen Schufte ihren Fuß vor die Tür setzten.
»Ist mit euch alles in Ordnung?«, fragte Miralissa, die mit gespannter Sehne und eingelegtem Pfeil dastand.
»Wenn man von meinen Nerven absieht, dann ja!«, lamentierte Kli-Kli. »Ich bin einfach nicht daran gewöhnt, die Zielscheibe für Armbrustbolzen zu spielen.«
»Keine Sorge, das kommt schon noch!«, murmelte ich und stand auf.
»Zu den Pferden! Solange die Schufte noch mit sich beschäftigt sind!«
Doch wir kamen nicht dazu, Alistans Befehl auszuführen. Aus der oberen Etage jenes soliden einstöckigen Hauses, in dessen Keller wir festgehalten worden waren, flog etwas Weißes.
»Runter!«, schrie Miralissa.
Wir alle, also auch die Elfen, warfen uns zu Boden. Die blendend weiße Scheibe zischte durch die
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