Schattenstürmer
Garrett!«
»Wenn du wüsstest, wie sehr ich ausgerechnet dich die ganze Zeit über vermisst habe!«
»Ganz meinerseits. Im Übrigen bin ich froh, dich gesund und munter zu sehen!«, sagte der Hofnarr. »Oh! Gholen!«
Der Kobold vergaß mich völlig, ging ans Gitter heran, hinter dem die wahnsinnigen Leichenfresser fuhrwerkten und steckte den Finger durch die Stäbe, anscheinend um mit den Gholen nähere Bekanntschaft zu schließen. Zu Kli-Klis Glück sind Kobolde jedoch weitaus flinker als Gholen, sodass er den Finger noch rechtzeitig wieder herausziehen konnte und die Kiefer der Gholen nur in die Luft bissen.
»Hier, deine Klingen, Aal.« Deler stellte die Streitaxt gegen die Wand und nahm den »Bruder« und die »Schwester« von seinem Rücken.
»Meine Armbrust hast du nicht zufällig auch dabei?«, fragte ich den Zwerg.
»Wir haben sie mitgenommen, aber Marmotte hat sie. Also halte dich vorerst hinter uns. Willst du hierbleiben, Kli-Kli?«
»Nein, ich komme mit, diese Viecher sind mir zu böse. Ah! Ein Toter! Hast du ihm das Genick gebrochen, Aal? Gute Arbeit! Und der da unter dem Umhang? Der bewegt sich ja noch!«, plapperte der Kobold aufgeregt. »Warum hast du den nicht fertiggemacht? Soll ich ihn noch mal treten? Nein? Ah … Verstehe! Das ist ein Handlanger des Unaussprechlichen, er wird unsere Geisel. Richtig? Komm schon, Aal, hab ich recht?«
Aal warf mir einen Blick zu, in dem ich las: Kein Wort davon, wer das ist! Schandmauls Gesicht war unter dem Umhang verborgen, und weder der Kobold noch der Gnom oder der Zwerg konnten das ehemalige Wilde Herz erkennen.
»Hör mit dem Geschwätz auf«, fuhr ich Kli-Kli an. »Du wirst dein Vergnügen schon noch kriegen.«
»Mit euch hab ich mir was eingefangen, ihr Stumpfhirne«, bemerkte Kli-Kli seufzend. »Was ist, gehn wir jetzt?«
»Nur zu«, befahl Aal. »Ich folge euch.«
Ich fing noch einmal den Blick des Garrakers auf und las in seinen Stahlaugen Schandmauls Urteil.
»Wir sollten längst weg sein! Die anderen halten die Tür bereits seit zwei Minuten frei!«, zischte der Gnom unter seinem Helm hervor.
Hallas sprang in den Gang, Kli-Kli folgte ihm, dann Deler. Ich blieb kurz auf der Schwelle stehen und warf einen Blick auf Schandmaul. Der wollte aufstehen, verfing sich aber im Umhang.
»Folge ihnen, Garrett!«, befahl Aal.
»Ich warte auf dich«, entgegnete ich.
»Wie du meinst!« Aal zuckte flüchtig mit den Schultern.
Er beugte sich über Schandmaul. Der hatte es geschafft, sich aufzusetzen, jetzt versuchte er mit ruckartigen Kopfbewegungen, den Umhang loszuwerden.
»Ich habe versprochen, dir das Herz herauszureißen, weißt du noch?«, sagte Aal.
Schandmaul erwiderte kein Wort.
»Das war eine Lüge«, flüsterte Aal.
Bevor die Tür zufiel und der Riegel vorgeschoben wurde, erhaschte ich noch einen Blick auf Schandmaul, der gerade den Umhang vom Kopf zog und verblüfft in unsere Richtung starrte.
»Was trödelt ihr da rum?«, rief uns Deler vom anderen Ende des Ganges zu.
»Sag den anderen nichts von Schandmaul, Garrett«, bat mich Aal. »Sollen sie ruhig glauben, er sei in der Schenke gestorben. Sie brauchen nicht zu wissen, dass Schandmaul ein Verräter war.«
»Mhm.« Ich wollte kaum glauben, dass Aal den Kerl so einfach davonkommen ließ.
»Und über meine Geschichte verlier auch kein Wort!«
»Mhm«, wiederholte ich.
»Und noch was. Dass sich in den Reihen der Wilden Herzen noch weitere Verräter finden, brauchst du auch niemandem zu erzählen. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt dafür, Alarm zu schlagen. Wenn wir wieder im Einsamen Riesen sind, werde ich mit Kauz über alles reden.«
»Hmm.«
»Sehr schön, dann wäre das geklärt!« Daraufhin griff Aal in eine Nische und zog an einem Hebel, den ich bisher nicht bemerkt hatte.
Ein Mechanismus polterte, das Gitter hob sich. Die Gholen waren jetzt frei. Mich schüttelte es. Dann schon lieber erstochen – als ein solcher Tod. Schandmaul würde nicht lange gegen vier hungrige Leichenfresser standhalten. Das wäre auch nicht anders, wenn wir ihn nicht gefesselt hätten.
Falls Schandmaul schrie, hörte ich es nicht. Die Zellentür schluckte sämtliche Geräusche.
»Gehen wir!«, verlangte Aal – und ohne sich noch einmal umzusehen eilte er zu Hallas, der bereits ungeduldig von einem Bein aufs andere stapfte.
»Was habt ihr da gemacht?«, fragte der Gnom.
»Alte Schulden beglichen«, sagte Aal kalt, zog die Klingen und eilte an dem Gnom vorbei.
Auf Hallas’ fragenden Blick hin
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