Schattensturm
das denn? Ihr seid die Fürstin, Ihr habt Hauptmänner für diese Aufgabe.«
Veronika zuckte mit den Schultern. »Ich habe Euch zu meinem Stellvertreter ernannt, und trotzdem seid Ihr hier oben und nicht irgendein Hauptmann.«
»Birgir war schon im Juli hier, Svein im August. Oswald und Ugo durchkämmen Sekken, weil sie glauben, dass sich dort schon wieder ein paar Kelten eingenistet haben.«
»Was ist mit Armin?«, fragte sie besorgt.
»Armin ist in der Stadt. Ich dachte mir, ich lasse ihn einmaleinen Monat unbeaufsichtigt. Mal sehen, ob er wieder in alte Gewohnheiten zurückfällt oder sich zusammenreißen kann.«
Veronika nickte. Es war ein gutes Argument. Sie glaubte trotzdem, dass es nicht Eiriks einziges war. »Und ich dachte schon, Ihr seid hier, weil Ihr ein guter Anführer seid«, erklärte sie.
Seine Augenbrauen zogen sich misstrauisch zusammen. »Wie meint ihr das?«, fragte er, ein leichtes Grollen in seiner Stimme.
»Ein guter Anführer muss an den Aufgaben seiner Männer teilhaben«, meinte sie. »Ich hätte gedacht, dass Ihr deswegen hier seid!«
»Deswegen auch«, brummte er.
»Seht Ihr. Und deshalb bin ich auch hier. Ich dachte mir, ich leiste meinen Monat Wachdienst hier ab, solange sich Wolfgang in Deutschland herumtreibt.«
Für einen Moment wirkte Eirik enttäuscht, doch der Ausdruck verschwand schnell wieder von seinem Gesicht. »Kommt mit, es ist kalt hier draußen.« Sie stiegen eine der Leitern nach unten und gingen in Richtung der Halle. »Was macht Wolfgang denn noch in Deutschland?«, fragte er währenddessen.
»Er sucht nach einem Attentäter.«
Eirik blieb stehen. »Ein Attentäter? Wer hat versucht, wen umzubringen?«
»Einer der Gesandten war der Attentäter. Ich war das Opfer. Wir glauben inzwischen –«
» Ihr
wart das Opfer?«
»Zumindest hat er es versucht.«
Sie gingen nach drinnen und setzten sich vor das Feuer, das im hinteren Bereich der Halle brannte. Veronika ließ sich einen Krug Minztee einschenken und wärmte sich daran die Hände, während sie ihm die ganze Geschichte von Versammlung und Attentat berichtete. Eirik lauschte ihr aufmerksam und grimmig. Er registrierte die Information, dass mehrere Gesandte umgekommen und die Friedensverhandlungen vorerst abgebrochen waren, mit einem Kopfschütteln.
»Irgendeine Idee, wer der Attentäter war?«, fragte er schließlich.
Sie nickte. »Aller Wahrscheinlichkeit nach Derrien Schattenfeind. Der, der mich schon bei den Verhandlungen am Tag des Aufstands angegriffen hat. Der, der sich in den Bär verwandelt hat.«
»Er ist auch der Anführer dieser Waldläufer, wusstet Ihr das?«
Veronika zog die Augenbrauen nach oben. »Bisher noch nicht. Dann steckt er wahrscheinlich auch hinter dem Hinterhalt auf Sekken?«
»Höchstwahrscheinlich. Er hat auch unter den Kelten ein Kopfgeld für Euch und Euren Bruder ausgesetzt. Es war wirklich eine gute Idee, Thorsten nach Deutschland zu schicken. Wie geht es ihm?«
»Als ich von Lhiuniburc zur Versammlung aufgebrochen bin, ging es ihm noch gut. Er hat die Reise recht gut überstanden und ist auf dem Weg der Besserung.«
»Das freut mich.«
Nachdenklich starrten sie beide ins Feuer.
Schließlich murmelte Veronika: »Er mag mich wohl wirklich nicht, dieser Derrien.«
Eirik schnaubte und trank aus seinem Bierkrug. Dann schüttelte er langsam den Kopf. »Ihr habt seinen Neffen erschlagen.«
Veronika schnitt eine Grimasse, als sie sich an den Jungern erinnerte, den sie während des Kampfes mit dem Bären getötet hatte.
Und so geht der Kreislauf der Gewalt weiter …
BATURIX
Bei der Pforte am Gridsetskolten
,
Romsdalsfjord, Norwegen
Donnerstag, 14. Oktober 1999
Die Innenwelt
Die Berge warfen lange Schatten über den Fjord, als die rotglühende Sonne langsam hinter ihnen versank. Darüber hingen graue Wolkenbänder am Himmel, ihre Unterseiten rosa angestrahlt. Auf dem Fjord war eine Handvoll Fischkutter, die Segel gesetzt, um mit der Dämmerung schnell nach Hause zu kommen. Baturix zählte vier beziehungsweise fünf, wenn man das eine mitrechnete, das bereits in den Hafen der Stadt eingelaufen war. Er prägte sich ein, wo die Boote an diesem Tag gefischt hatten und an welchen Stellen sie dem Ufer am nächsten kamen.
Die Boote waren so ziemlich das Einzige, was sich auf seinem Spähposten tat. Und auch die waren nur interessant, weil jedes von ihnen eine germanische Rune aufwies. Bretonische Fischer hatten ihm erzählt, dass die Germanen nur Boote zum
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