Schattensturm
nicht aus nächster Nähe mitbekommen wollten, wie Tanash seinen Dämon beschwor.
»Werden wir kämpfen?«, fragte Armstrong.
Mickey nickte. »Diesmal werden wir kämpfen.« Eben weil die mögliche Stunde der Beschwörung so nahe war, hatten sie beschlossen, im Falle einer neuerlichen Entdeckung nicht mehr zu fliehen. Stattdessen würden sie versuchen, sich freizukämpfen.
»Gut.« Armstrong ließ die Knochen in seinen Fingern knacken und lehnte sich zufrieden zurück.
Für eine außenliegende Haltestelle stiegen hier überraschend viele Leute ein. Mickey wunderte sich jedoch nur kurz – vielleicht hatte eine Fabrik in der Nähe Schichtwechsel gehabt oder etwas Ähnliches. Die meisten der Zugestiegenen sahen müde aus, aber zu Mickeys Überraschung hatten viele auch Angst. Es war nicht die Sorge von Menschen, die nachts in einer von Schatten und Ratten beherrschten Stadt die öffentlichen Verkehrsmittel benutzten, den Blick kannte er nur zu Genüge aus Bergen. Es war Angst. Irgendetwas hatte diese Leute verstört.
»Keelin?« Während der Zug weiterfuhr, klopfte er der Druidin gegen den Oberarm. »Sprichst du deutsch?«
»Ein bisschen«, murmelte sie schlaftrunken.
»Kannst du verstehen, worüber sich die Leute unterhalten?«
Keelin gähnte herzhaft, bevor sie ihre Arme um den Sitz vor ihr schlang und das Kinn auf die Lehne stützte. Sie schloss erneut die Augen.
Für einen Moment fragte sich Mickey, ob sie verstanden hatte, was er ihr aufgetragen hatte, aber er behielt seine Bedenken fürsich. Notfalls würde er sie noch einmal wecken. Stattdessen beobachtete er die Leute. Was auch immer sie so verängstigt hatte, sie unterhielten sich aufgeregt darüber, so aufgeregt, dass auch die Gruppe, die Spider vorhin so angestarrt hatte, ihre Ohren spitzte und lauschte. Ihm fielen die misstrauischen Blicke auf, die sie Mickey und seinen Leuten zuwarfen. Der Begriff
Gang
fiel immer wieder, was ihn nicht wunderte. In den letzten Tagen schien in der Stadt ein wahrer Krieg zwischen den Straßengangs ausgebrochen zu sein.
»Sie sprechen von Schießereien«, meinte Keelin schließlich. »Einer Schießerei hier in der Gegend, mit der Polizei … Oder vielleicht
bei
der Polizei?«
»Und die Leute hier haben das gesehen?«
»Es kam im Radio, wenn ich das richtig gehört habe.«
»Hmmm.« Er verstand, dass das Leute verstörte, wenngleich es nicht direkten Einfluss auf ihn selbst hatte. Und wenn, dann eher einen günstigen. Falls Schatten oder Clan tatsächlich hier in der Gegend Patrouillen hatten, würden die wahrscheinlich von einer Schießerei angezogen werden wie die Fliegen – vor allem in einer Polizeistation. Die hiesige Polizei war, wie sie mittlerweile festgestellt hatten, durch und durch von der Gegenseite unterlaufen. Vorsichtshalber aktivierte er trotzdem seine Magie und scannte die Leute durch, die mittlerweile in ihrem Abteil waren. Er fand jedoch nicht den Hauch von Magie. Alles schien sauber.
Es entstand erneut Verwirrung, als sich ein weiterer Gast als Fahrscheinkontrolleur entpuppte. Mickey verdrehte die Augen. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, so kurz vor ihrem Ziel noch kontrolliert zu werden? Er seufzte.
Murphys Gesetz.
Er wechselte kurz Blicke mit Spider, der ihm gelassen zunickte.
Kurz darauf war der Mann bei ihnen.
»Fahrscheine bitte«
, meinte er. Mickey verstand ihn nicht, doch es war offensichtlich, was er von ihnen erwartete.
»Bitte?«, fragte Spider scheinheilig auf Englisch nach.
Der Mann wandte sich zu ihm. »Ihre Tickets.«
Der Albino starrte ihn aus roten Augen an. »Du brauchst unsere Tickets nicht zu sehen.«
»Ich brauche eure Tickets nicht zu sehen«, meinte der Mann und ging weiter.
Verstohlen blickte sich Mickey um. Er hoffte, dass Spiders Magie nicht bemerkt worden war.
»Beeindruckend«, kommentierte Keelin. »Spider ist euer Diplomat?«
Als Spider nicht selbst antwortete, schüttelte Mickey den Kopf. »Er ist nicht spezialisiert«, meinte er. »Einige von uns entscheiden sich gegen einen klar vorgegebenen Pfad.«
»Das ist so einfach möglich?« Die Druidin schien überrascht.
»Ja. Manchmal stellt sich später heraus, dass die gesammelten Kräfte doch in Richtung eines Pfades –«
»Boss?«, unterbrach sie Armstrong plötzlich. »Wir haben ein Problem!«
»Was?«, zischte Mickey.
»Da draußen sind haufenweise Bullen!«
Mickey wollte schon aufstehen, um auf Armstrongs Seite aus dem Fenster zu sehen, als Keelin meinte: »Ja, hier auch.«
Die Bremsen
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