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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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blies die Wangen auf und seufzte leise. Die Mission hatte noch immer beste Voraussetzungen, spektakulär in die Hose zu gehen. Er wollte sich lieber gar nicht erst vorstellen, wie Derrien auf noch ein Versagen seinerseits reagieren würde.
     
    Das monotone Rattern der S-Bahn war einschläfernd. Dazu kamen die Wärme des überraschend gut beheizten Waggons und die bequemen Sitze. Die junge Druidin schlief bereits mit ans Fenster gelehntem Kopf. Es war eine Woche vergangen, seitdem das Rudel sie aufgesammelt hatte, aber sie war noch immer zu Tode erschöpft.
    Mickey, der neben ihr saß, kämpfte selbst gegen den Schlaf. Es war so einfach, so verführerisch, seine Wachsamkeit aufzugeben und die Augen zuzumachen, aber noch waren sie nicht draußen. Er rechnete zwar nicht mehr damit, dass sie noch irgendwie entdeckt werden würden, aber er wollte lieber auf Nummer sicher gehen.
    Er wandte sich um zu seinen Rudelgefährten, die in der Vierergruppe neben ihm saßen. Colt schlief ebenfalls. Er trug noch immer einen Verband um den Hals, doch der war sauber und eigentlich schon gar nicht mehr nötig. Aber die Druidin hatte darauf bestanden. Das Schicksal des Buckligen, der ihr in der Nacht vor ihrer Begegnung am Wundfieber unter den Händen weggestorben war, belastete sie schwer. Armstrong war wach und sah gelangweilt aus dem Fenster, während er mit seinen Händen einen Kugelschreiber um seine Finger wandern ließ. Spider starrte mit mahlenden Kiefern den Mittelgang entlang.
    Mickey folgte seinem Blick. Ein paar Reihen weiter saßen sechs junge Leute, vier Kerle, zwei Mädchen. Sie unterhielten sich gedämpft, bis auf eine, die blass und ängstlich ihre Tasche an ihren Körper gepresst hielt und verstohlene Blicke zu Spider warf.
    »Hör auf, kleine Mädchen zu erschrecken«, meinte Mickey.
    »Was?« Spider schreckte hoch.
    »Du starrst sie an, als ob du im nächsten Moment aufstehen und sie hier und jetzt durchvögeln wolltest.«
    Der Albino zwinkerte mehrmals. »Sorry, Boss. Bin müde.«
    »Ein Mädchen in Hamburg hätte sowieso keine Zukunft.«
    Spider schüttelte den Kopf. »Das ist es nicht.«
    Mickey zog die Augenbrauen nach oben. »Was ist es dann?«
    »Die Rattenmenschen, die wir getötet haben«, seufzte er. »Sie gehen mir nicht aus dem Kopf.«
    »Mir auch nicht«, gestand Mickey.
    »Scheiße.«
    Was jedoch viel schlimmer war, war die Tatsache, dass ihm auch die
Menschen
nicht mehr aus dem Kopf gingen, die er im Gefängnis dort unten gesehen hatte. Abgesehen davon, dass sie ihm leid taten, brachten sie nur die Erinnerung an die eigenen Gefängnisse mit sich, die der Clan in Bergen geführt hatte. Er hatte keinen blassen Schimmer, wie viele Leute er durch Ashkarunas Knochenmühle gejagt hatte, und das war das Erschreckendste.
    Die Bremsen des Waggons quietschten, als die S-Bahn ihren nächsten Halt erreichte. Mickey blickte an Keelin vorbei nach draußen.
Hamburg Iserbrook
stand auf einer Tafel. Er sah zum Streckennetz auf, das zwei Sitze vor ihm über einem Eingang hing.
    »Noch drei bis zur Endhaltestelle«, meinte Spider, ohne sich umzudrehen. Er hatte recht.
    »Bei der nächsten steigen wir aus.«
    »Hmm?« Armstrong sah überrascht zu ihm. »Wieso das denn?«
    »Wenn
ich
in dieser Stadt jeden einzelnen Fluchtweg abriegeln müsste, würde ich die S-Bahnen nicht aussparen. Ich würde in der letzten oder vorletzten Haltestelle reinschauen.«
    »Und stattdessen?«
    »Steigen wir aus und gehen nach Norden. Allzu weit ist es dann nicht mehr bis zum Stadtrand. Dort klauen wir uns ein Auto und hauen ab.«
    »Das hätten wir schon viel früher machen sollen«, murrte Armstrong.
    Aber das hatten sie nicht. Stattdessen hatten sie es über die Fähren probiert, wo sie prompt von einem Rattenrudel enttarnt worden waren und fliehen mussten, sowie über den Flughafen, den sie einen ganzen Tag lang observiert hatten, bevor sie zu dem Schluss gelangt waren, dass er einfach zu gut überwacht war. Ein dritter Versuch, als sie von einer Brücke auf einen Frachter gesprungenwaren, der sich mit Ballast beladen die Elbe hochgekämpft hatte, hatte sogar zu einem kurzen Gefecht mit der Polizei geführt. Deshalb besaß Armstrong jetzt eine Pistole, deshalb besaß Colt nun etwas dringend benötigte Erfahrung in Schießereien und weitere völlig unnötige Erfahrungen im Sterben.
    Aber das alles hatte Zeit gekostet. Und nun war die Nacht vor der Nacht der Nächte, und sie waren noch immer in Hamburg. Diesmal musste es klappen, wenn sie

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