Schattensturm
die Hand wieder weg und überwand sich zur zweiten Frage: »Verluste?«
»Zwei meiner Männer sind tot.« Kollborns Stimme war so ausdruckslos, dass sich Wolfgang sicher war, dass der Mann noch immer unter Schock stand. »Mayer und Schultze.«
»Was ist mit Hase?«
»Auch tot. Wir haben ihn zusammen mit dem Schwarzen gefunden, sind beide erschossen worden. Genickschuss.«
Also hat Hassmann etwas herausgefunden und ist dann von seinen ›Kollegen‹ dafür hingerichtet worden
… »Okay«, meinte er. »Kannst du dich mit Trommler zusammenschließen? Er ist in der Bar, in der ich mich damals mit Waterman getroffen habe, der weiß Bescheid.« Waterman war ein improvisierter Code, doch Wolfgang fiel auf die Schnelle nichts Besseres ein. Wassermann gehörte zu Kollborns Leuten.
»Verstanden.«
»Meldet euch, wenn ihr da seid.« Er wusste nicht, was er sagen konnte, um dem Mann den Schock zu nehmen.
»Machen wir. Köhler, Ende.« Damit legte er auf.
Verspätet wunderte sich Wolfgang darüber, dass sich der ehemalige Hauptgefreite über Telefon gemeldet hatte. Er ging zurück zum Funkgerät und rief ihn mehrmals, doch ohne Erfolg. Aus irgendeinem Grund hatte Kollborn es ausgestellt. Oder es war defekt. Vielleicht hatte es in der Schießerei eine Kugel gefangen …
Er stand auf und ging zum Fenster. Draußen war mittlerweile ein neuer Tag angebrochen, doch es regnete noch immer, so dass die Stadt – oder der kleine Ausschnitt, den er aus seinem fünften Stockwerk zu Gesicht bekam – grau in grau vor ihm lag. Er schüttelte den Kopf.
Damit sind wir endgültig wieder bei Null
. Der einzige Hinweis, der ihnen jetzt blieb, war die Gegend, in der der Schwarze gefunden worden war, irgendwo in der Umgebung des Kommissariats, dochdas war auch schon alles. Er hatte Maria und Stefan dorthin geschickt, um sich auf den Straßen etwas genauer umzusehen. Sie waren weder Soldaten noch Übernatürliche, vielleicht gelang es
ihnen
, von ihren Feinden unbemerkt zu bleiben. Die Jarle – die, die noch lebten – hatte er größtenteils zurückbeordert. Sie waren einfach zu oft von den Rattenmenschen enttarnt worden, die meisten der Zwischenfälle, von denen Radio und Polizeifunk berichteten, waren Zusammenstöße zwischen ihnen und den Killertrupps des Gegners.
Maria und Stefan …
Er hatte ein Dutzend Jarle und zwei Dutzend Soldaten in der Stadt, doch seine größte Hoffnung ruhte auf den Schultern der Kirche. Welch eine Ironie des Schicksals! Wolfgang warf einen Blick zur Decke.
Oder gibt es dich doch?
Skeptisch zog er eine Augenbraue nach unten.
DAS wäre erst eine Ironie …
Er ließ sich zurück auf das Bett sinken und dachte an Gudrun. Sie war etwa vor zwei Wochen gesund und munter zu Hause angekommen, hatte ihm Eirik am Telefon erzählt. Gleich darauf war sie nach Trollstigen gegangen, um dort ein paar Wochen Wachdienst zu verrichten. Wie so oft wunderte er sich warum. Sie wollte mit gutem Beispiel vorangehen, das war ihm klar, aber warum so schnell nach ihrer Rückkehr? Als einziges Argument fiel ihm ein, dass sie es hinter sich haben wollte, bevor er zurückkehrte. War er eingebildet, wenn er so etwas dachte? Er seufzte. In ein paar Tagen, wenn das hier alles vorbei war, würde er wieder bei ihr sein, Herwarth würde mit seinen Männern alleine mit den Folgen dieser Nacht klarkommen müssen. Wolfgang musste nur aufpassen, dass er überlebte. Zugegeben, mit einem Dämon in der Kalkulation war das schon an sich eine Herausforderung, aber es war eine, die Wolfgang zu meistern gedachte. Er hatte schon in manch wüster Klemme gesteckt …
»Verdammt!«, fluchte er. Ihm war eingefallen, dass er ihr dann erzählen musste, was hier passiert war. Sie war so stolz darauf gewesen, nie einen Mann verloren zu haben, solange sie beim Militär gewesen war. Er führte ihre Männer nun anderthalb Monate und hattebereits vier Tote, drei davon mit Namen, an die er sich aus ihren Geschichten noch erinnert hatte. Sie würde ihn dafür hassen …
#Wolf für Rotkreuz#, knisterte es plötzlich aus dem Funkgerät. Es war Maria.
Wolfgang griff nach dem Sprechgerät. »Wolf hört.«
#Wir haben etwas. Der Schwarze war von einem Pfarrer zur Polizei gebracht worden. Offenbar hat der Mann in einer Kirche Unterschlupf gesucht.#
Wolfgang warf noch einmal einen Blick zur Decke.
Ich bin ein Jarl
, dachte er,
aber noch mehr solche Zufälle, und ich fange an, religiös zu werden!
»Weiter«, sprach er in das Mikrofon.
#Der Mann hat dem Priester
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