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Schattentänzer

Schattentänzer

Titel: Schattentänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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und erst recht ohne Menschen. Sie warten darauf, dass der Orden der Grauen es für einen kurzen Augenblick an Aufmerksamkeit mangeln lässt, damit eine Schale an der Waage des Gleichgewichts sinkt, wie es in einer grausamen Winternacht vor vielen Jahren schon einmal geschehen ist …
    Von den Worten des toten Magiers erzitterte ich bis auf die Knochen. Ich verstand, worauf er anspielte. »Weil das Horn des Regenbogens zum Einsatz kam?«
    Vermutlich. Sie waren es, die das Böse geweckt haben, das hier unten schläft. Ihre eigene Bosheit. Sie wittern, dass ihre Zeit naht.
    »Woher weißt du das alles?«
    Diesmal blieb die Antwort aus. Walder war verschwunden und ließ mich mit meinen Zweifeln und Grübeleien allein.
    Ein karges Abendessen, etwas Schlaf, der mich kaum erfrischte, dann ging es weiter. Durch den Gang gelangte ich in eine Höhle, in der ich mein »Feuer« endlich nicht mehr brauchte.
    Sie war genauso groß wie der Säulensaal. Die Wände funkelten rot und orange, und aus der Decke wuchsen Lichtsäulen nach unten, die den Raum großzügig beleuchteten. Und dieses Licht war nicht magisch, dafür würde ich meine Hand ins Feuer legen.
    Das war echt. Das war Sonnenlicht.
    In den ersten zwei Minuten versagten mir meine Augen, die schon nicht mehr an die Sonne gewöhnt waren, den Dienst. Tränen verschleierten mir die Sicht, die ich mühsam wegblinzelte.
    Die Lichtsäulen fanden sich gut sechzig Yard vor mir und wirkten wie Strahlen der Abendsonne, die sich durch das dichte Blattwerk eines Waldes brechen. Etwas Warmes, Zartes, vor allem jedoch etwas unsagbar Schönes ging von ihnen aus. Zum ersten Mal, seit ich durch die Beinernen Paläste streifte, empfand ich den Baumeistern und Magiern gegenüber, die in diesen Tiefen ein solches Wunder vollbracht hatten, Dankbarkeit.
    Nun sah ich auch, dass in dieser gewaltigen Höhle sogar eine Burg errichtet worden war.
    Eine richtige Burg! Mit zwölf Yard hohen Mauern, einem aus den Angeln gehobenen Tor und vier eleganten, lanzenspitzen Türmen. Oder, um genau zu sein, mit drei lanzenspitzen Türmen, denn der vierte schien wie von Zauberhand zertrümmert worden zu sein. Von ihm war nur ein Stumpf geblieben.
    Ein fünfter Turm erhob sich in der Mitte. Er sah genauso aus wie die vier anderen, war jedoch wesentlich größer. Wer auch immer den Wunsch verspüren sollte, diese Burg zu belagern, dürfte erhebliche Schwierigkeiten bekommen (nach meiner bescheidenen Diebesansicht jedenfalls).
    Die Mauern der Festung zeigten die gleiche rote Farbe wie die Wände der Höhle und verschmolzen nahezu mit dieser. Zur Burg führte ein Weg, der sich wie eine Schlange zwischen den hohen Steinbuckeln hindurchwand, die überall aus dem Boden wuchsen. Der Pfad war mit feinen rötlichen Kieseln ausgelegt, die unter meinen Stiefeln knirschten.
    Sobald ich näher an die Festung herankam, begriff ich, dass ich sie nicht würde umrunden können. Ihre Mauern schmiegten sich zu dicht an die Höhlenwände. Da ich ohne Elfenseil die Mauern nicht überwinden würde, blieb mir keine Wahl: Ich musste durch das ausgeschlagene Tor gehen und darauf hoffen, dass sich auf der anderen Seite der Festung ebenfalls ein Tor befand.
    Natürlich riss ich mich nicht gerade darum, diese Burg zu betreten. Dafür türmten sich allzu viele Knochen vor dem Eingang.
    Sie waren fürchterlich alt. Vielen Toten steckte zwischen den Rippen ein Pfeil. Die Verteidiger der Festung hatten unter ihren Feinden eine reiche Ernte eingefahren. Es lagen zahllose Waffen auf dem Boden, doch sie alle waren so alt und verrostet, dass sie zu Asche zerfielen, sobald ich mit dem Stiefel gegen sie stieß. Schilde, Helme, Bögen mit vertrockneten Sehnen, Rüstungen mit kaum noch erkennbaren Gravuren der Schwarzen Rose, der Schwarzen Flamme, des Schwarzen Steins, des Weißen Blattes und des Weißen Wassers. Dunkle und lichte Elfen hatten Seite an Seite die Burg stürmen wollen. Waren Seite an Seite gefallen.
    Ich wusste sogar, gegen wen sie gezogen waren. Gegen ihren alten Erzfeind hatten sie sich in diesem Kampf verbündet, gegen ihre nächsten Verwandten, gegen die Orks. Neben dem herausgerissenen Tor lag ein Rammbock. Es hatte die Elfen gut hundert Krieger gekostet, doch dann war es ihnen gelungen, diese Nuss zu knacken.
    Noch einmal erwog ich meine Aussichten auf Erfolg, stieß einen Seufzer aus, griff nach der Armbrust, zog einen der Bolzen heraus und tauschte ihn gegen einen Feuerbolzen aus. Letztlich gab es nur zwei Möglichkeiten:

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