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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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nahm Dhespina in den Arm und weinte seine Trauer und Dankbarkeit in ihr Haar.
    Am nächsten Tag saß Mehmet auf der Veranda und wartete geduldig darauf, dass Loukis aufstand. Er hatte in der Frühe einen
     kurzen Rundgang über den Hof und die Felder unternommen und staunend gewahrt, dass alles in Ordnung gehalten worden war –
     dafür wollte er dem Jungen von Herzen danken. Als Loukis schließlich in die Sonne hinaustrat, stand ihm die Anstrengung einer
     unruhigen Nacht ins Gesicht geschrieben, und Mehmet verspürte eine leichte Traurigkeit bei dem Gedanken, dass er die Verwandlung
     des Jungen in einen Mann verpasst hatte. Loukis war groß, mit ernster Miene, aber er war ja schon als Kind düster gewesen.
     Es passte zu ihm, dass er auf Mehmets plötzliche Anwesenheit statt mit einem Gefühlsausbruchmit einem leisen Lächeln reagierte. Ohne ein Wort verschwand er wieder in seinem Haus und tauchte Sekunden später mit einem
     kleinen Büchlein auf, das er Mehmet übergab. Es war von der Bank, und der Name des Bauern stand auf der ersten Seite. Es folgte
     eine lange Liste mit Zahlen.
    »Ich habe mir nur meinen Lohn und etwas für die Instandhaltung davon genommen«, erklärte Loukis.
    »Es gab keine Garantie, dass ich zurückkomme.«
    »Ich wusste, dass du wiederkommst.«
    Mehmet war zutiefst gerührt und hatte Mühe, seine Dankbarkeit in Worte zu fassen, bevor Loukis sich abwandte, um ihnen beiden
     jede weitere Verlegenheit zu ersparen.
    Mehmet konnte schwören, dass er aus dem Haus das frohe Lachen seiner Frau vernahm.
     
    Der Bus schlängelte sich durch dunkle Gassen, in denen sich Plastiktüten voller Müll stapelten, und vorbei an baufälligen
     Häusern, von deren alten Rohren der Rost rieselte. Von seinem Sitz aus sah er schäbig gekleidete Menschen inmitten einer Atmosphäre
     des Verfalls. Erst als Yiannis einen Blick auf das vollendetste aller Gebäude erhaschte, das von der am höchsten entwickelten
     Zivilisation der Welt errichtet worden war, erwachte sein Stolz auf das Mutterland wieder. Die Akropolis war atemberaubend.
     Obwohl er schon viel über sie gelesen hatte, war er auf ihren Anblick nicht vorbereitet, und spontan packte ihn das Verlangen,
     den Hügel zu erklimmen und ganz in das Leuchten der weißen Steine einzutauchen. Doch Yiannis hatte keine Zeit – und er fühlte
     sich ohnehin unwürdig. Aus seinen Büchern wusste er, dass die antike Stadt auch Kekropia genannt wurde, nach dem sagenhaften
     König Kekrops, von dem es hieß, dass er halb Mensch, halb Schlange gewesen sei. In diesem Augenblick, in einem Bus Richtung
     Süden, fühlte Yiannis sich vollständig wie eine Schlange.
    Nach drei Stunden, in denen er immer wieder in einen so unruhigen Schlaf gefallen war, dass sein Sitznachbar sich einenanderen Platz suchte, kam Yiannis in Tolo auf der peloponnesischen Halbinsel an.
    Als Erster hatte Homer das malerische Städtchen in seinem Bericht über den Trojanischen Krieg erwähnt, seither war es Anlaufhafen
     für mehrere Kriege gewesen, und nach der griechischen Revolution waren viele Flüchtlinge aus Kreta hierher gezogen. Seit 1916
     war das Fischerdorf unter dem Namen Tolo bekannt, und im Laufe der Zeit war an der Bucht ein Haus nach dem anderen aus dem
     Sand gewachsen, um wenigstens einen Nutzen aus den Nordeuropäern zu ziehen, die auf der Suche nach warmem Badewasser, feinen
     Sandstränden und den vielen archäologischen Stätten die Gegend überfluteten. Yiannis nahm seine einzige Tasche aus dem Kofferraum
     des Busses und hielt einen Moment inne, um tief durchzuatmen und sich eine Zigarette anzuzünden. Eine schützende Gebirgskette
     ringsum ließ die Bucht abgeschieden, aber dennoch offen wirken. Ein Gefühl von Geborgenheit durchströmte Yiannis. Es war wirklich
     sehr hübsch hier, ganz so, wie Victor es beschrieben hatte. Nachdem er sich zwei Hotels direkt am Strand angesehen hatte,
     zog Yiannis weiter den Hügel hinauf und fort von dem Meerblick, der ihm nur das Geld aus der Tasche zog. Schließlich fand
     er eine verblichene, drei Stockwerke hohe Pension, die einfachen Komfort, inklusive Frühstück, zu einem vernünftigen Preis
     anbot. Er wechselte sein Hemd und ging zurück zum Strand, vorbei an handgemalten Schildern, die für Bootsfahrten zu den Inseln
     Hydra, Spetses oder Poros warben. Nachdem er sich orientiert hatte, betrat er ein gut besuchtes Lokal namens
Paradise Bar
, das ihm einen Panoramablick nicht nur über die Bucht, sondern auch über ihre

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