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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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Bräutigam die Kirche, und ihre Gäste folgten ihnen artig, wobei sie laut schwatzten und Marias
     üppiges Kleid bewunderten. Drinnen hatte sich Herr Televantos bereits den besten Platz gesichert, da er sich vor allen anderen
     hineingeschlichen hatte. Einige machten es ihm nach und setzten sich rasch, manche blieben lieber stehen und versuchten, die
     wilde Kinderhorde zu zähmen, die schon gelangweilt war, bevor der Priester überhaupt mit der Zeremonie begonnen hatte.
    »Das ist die seltsamste Hochzeit, auf der ich je war«, flüsterte Jason. Er war kurz nach Ostern mit seinem Vater Jack zurückgekehrt,
     nachdem die Briten verkündet hatten, Zypern sei nicht mehr unmittelbar von einem Einmarsch bedroht.
    »Warum findest du es seltsam?«, wollte Elpida wissen.
    »Schau dich doch mal um«, sagte er mit einer weiten Handbewegung. »Jeder setzt sich, wohin er will, manche bleiben einfach
     stehen, die Kinder rennen überall herum, und alle reden so laut, dass man den Priester kaum verstehen kann. Es würde mich
     nicht wundern, wenn der alte Mann in der ersten Reihe gleich seine belegten Brote auspackt.«
    »Aber was ist daran seltsam?«, meinte Elpida mit einem kurzen Blick in Herrn Televantos’ Richtung.
    »Na gut, vielleicht ist es nicht seltsam, nur anders. In England bekommen wir gesagt, wo wir sitzen sollen, und außer der
     Braut, dem Bräutigam und dem Pfarrer sagt niemand ein Wort. Hier reden ja eigentlich alle außer dem Brautpaar!«
    »Gott, wie langweilig. Das klingt ja nicht gerade nach einer tollen Feier bei euch in England«, erwiderte Elpida.
    »Nein, das wohl nicht«, gab Jason zu. »Übrigens sagt Jack, dass die Ehe ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist und eine
     Form der legalisierten Kastration.«
    »Was heißt ›legalisiert‹?«, fragte Elpida.
    »Das heißt, dass etwas vom Gesetz erlaubt wird.«
    »Und was ist eine ›Kastration‹?«
    »Dabei wird einem Mann der Schwanz abgeschnitten.«
    Erschrocken wandte Elpida ihren Blick zum Altar und versuchte sich auf die Zeremonie zu konzentrieren. Sie betete, ihre Wangen
     mögen ihre Verlegenheit nicht preisgeben und der gütige Herr möge Jasons Sünde nicht mit tödlichen Blitzen bestrafen. Michalakis’
     Militärfreund führte gerade das Ringritual mit Braut und Bräutigam aus.
    Savvas wahrte einen feierlichen Gesichtsausdruck, als er die goldenen Ringe als Symbol für die heilige Dreifaltigkeit drei
     Mal austauschte. Als er fertig war, erhob der Priester seine Stimme zum Gebet und führte die Hände von Michalakis und Maria
     zusammen. Über ihren Köpfen wurden die
stefana -Kro nen
, die durch die weiße Schleife der Eintracht miteinander verbunden waren, drei Mal getauscht. Der Priester sprach von der
     Hochzeit zu Kana in Galiläa, wo Jesus sein erstes Wunder vollbracht hatte, als er Wasser in Wein verwandelte. Dann trank Michalakis
     drei Mal aus einem Kelchglas, bevor der Priester das Paar drei Mal um den Altar führte, gefolgt von Savvas, der sich bemühte,
     die Kronen an ihrem Platz zu halten, ohne über die herumjagenden Kinder zu stolpern. Für Michalakis und Maria waren es die
     ersten Schritte als Ehepaar. Als sie wieder zum Stehen kamen, wurden sie sogleich mit Reis beworfen. Ungeniert hob der Priester
     die Bibel vor sein Gesicht, um sich zu schützen.
    Nachdem wieder halbwegs Ruhe eingekehrt war, trennte der Priester schließlich die Hände des Paares, indem er die Bibel dazwischen
     schob, womit er sie daran erinnerte, dass Gott allein die Macht hatte, die Verbindung zu lösen, die sie soeben eingegangen
     waren. Im hinteren Teil der Kirche senkte Praxi den Kopf, Yiannis zuckte leicht zusammen, und Loukis blickte teilnahmslos
     geradeaus.
    Als der Gottesdienst vorüber war, strömte die Gemeinde ausder Kirche, blinzelte im Sonnenlicht und schritt zum Dorfgemeinschaftshaus. Die Gäste gratulierten den Frischvermählten, rangelten
     sich um Plätze an den Tischen, die der aufgebauten Bühne am nächsten standen, und warteten darauf, dass sich die Durchreichen
     zur Küche öffneten. Georgios und seine Söhne wechselten sich hinter dem Tresen ab, häuften Essen auf Teller und drehten
souvla
am Spieß. Die Frauen, die den vorigen Tag mit Kartoffelschälen, Zwiebelhacken, Gemüseschneiden und Salatzupfen zugebracht
     hatten, sollten an diesem Abend nichts mehr tun müssen. Die Bäuche füllten sich, und der Raum summte von ausgelassenen, angeheiterten
     Gesprächen, bis schließlich die Musik einsetzte und Michalakis und

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