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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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Zypern ausgeweitet habe, ohne auch
     nur einen Funken Respekt vor der Unabhängigkeit und Souveränität der Republik zu zeigen. Der Putsch sei keine innere Angelegenheit,
     schimpfte er, sondern eine Invasion von außen.
    Während die Welt über eine angemessene Reaktion debattierte, richteten sich aller Augen auf Großbritannien, eines der wenigen
     Länder, die bei einem Verstoß gegen den Garantievertrag legal einschreiten durften. Unter wachsender Empörung entsandten die
     Briten ihre Kommandoeinheiten jedoch nur, um ihre Staatsbürger zu evakuieren und die Stützpunkte der Königin zu verteidigen.
     Ansonsten sahen die britischen Politiker tatenloszu, wie die Türkei 90   000 Soldaten an ihrer Südküste sammelte.
     
    Niki band ihr blondes Haar zu einem Pferdeschwanz und begann mit den Dehnungen und Sprüngen, die ihre Muskeln aufwärmen und
     ihre Zukunft sichern sollten. Als ihr Körper im letzten Jahr begonnen hatte, sich zu entwickeln, stand die Sorge im Raum,
     die Pubertät könnte ihrem Tempo im Weg stehen, aber zum Glück wurde die Schnelligkeit ihrer Beine nicht von den sich weiter
     oben nun deutlicher abzeichnenden Kurven beeinflusst, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Dieses Gottesgeschenk brachte
     Niki dazu, sich mehr denn je um diesen Körper zu kümmern, mit dem sie gesegnet war. Lenya scherzte oft, sie werde schon müde,
     wenn sie ihrer Tochter nur bei den Vorbereitungen zum Laufen zusah.
    Das Mädchen griff gerade nach der Türklinke, als ein trockener Husten sie aufschreckte.
    »Warum hast du mich nicht geweckt?«, fragte Andreas, nachdem er den Teer von den Zigaretten des Vorabends abgehustet hatte.
    Niki blickte auf die tiefen Tränensäcke und das spärliche Haar ihres Vaters. Sie zuckte mit den Schultern, was leichter war,
     als ihm die Wahrheit zu sagen: dass er zu alt war, um so früh aufzustehen.
    So lange sie sich zurückerinnern konnte, war ihr Vater immer an ihrer Seite gewesen, hatte sie angefeuert und einen Ausbilder
     bezahlt, der besser war, als er selbst je sein konnte. Doch als sie anfing, vor dem Morgengrauen zu laufen, wenn alles noch
     gespenstisch still und die Straße frei war, hatte er darauf bestanden, sie zu begleiten. Sie war kein egoistisches Kind, und
     seine Bemühungen machten ihr ein schlechtes Gewissen. Er hatte so viel geopfert, nicht nur seinen Lohn, sondern auch seinen
     Schlaf, damit sie ihrem Traum nachjagen konnte.
    »Ich wollte in der Nähe des Dorfes bleiben«, flunkerte Niki. »Ich dachte, du könntest weiterschlafen.«
    Andreas rieb sich den kahler werdenden Schädel. »Na ja, jetzt bin ich wach. Gib mir eine Minute, um mir den Schlaf aus dem
     Gesicht zu waschen.«
    »Papa, bitte, mach dir keine Sorgen, ich …«
    »Niki!«, schnitt er ihr das Wort ab. »Du bist meine Tochter, und ich lasse dich nicht allein im Dunkeln herumrennen, ob du
     nun im Dorf bleibst oder nicht.«
    Kaum drei Minuten später steckten die Schlüssel im Zündschloss des Autos, und Andreas folgte seiner Tochter auf die Hauptstraße,
     die nach Keryneia führte. Die Scheinwerfer des Datsuns beleuchteten sie wie eine Ballerina im Rampenlicht. Während er hinter
     ihr her fuhr, zündete er sich seine erste Zigarette des Tages an und ließ einen Arm aus dem offenen Fenster hängen. Die kühle
     Luft blies ihm den letzten Rest Schlaf aus den Augen, und er sah zu, wie Niki vor ihm die Straße mit ihren Füßen bearbeitete
     – wie immer voller Staunen über ihre natürlichen Fähigkeiten und seit kurzem auch über ihr rasantes Wachstum. Ihm kam es vor
     wie gestern, als Niki Lenyas und seinen lang gehegten Babywunsch erfüllte. Nun war sie kurz davor, eine Frau zu werden und
     sich obendrein einen Namen zu machen. Konnte ein Vater noch stolzer sein?
    Es hatte ihn überrascht, und zugegebenermaßen zunächst auch entsetzt, dass seine Tochter von Anfang an am liebsten in aller
     Herrgottsfrühe lief. Sie sagte, sie liebe die Stille. Sie verriet ihm auch, dass sie sich, wenn die Morgendämmerung die Nacht
     durchbrach, immer vorstellte, dass sie in diesem Moment das Band der Ziellinie bei den Olympischen Spielen durchriss. Andreas
     sagte ihr nie, dass er das für emotionalen Unsinn hielt, und nach einer Weile ertappte er sich selbst dabei, wie er bei Sonnenaufgang
     die jubelnde Menge vor sich sah, wenn seine Tochter den neuen Weltrekord aufstellte.
    Vor ihm variierte Niki ihr Tempo, trabte, sprintete dann wieder eine Strecke, so wie es ihr gerade in den Sinn kam. Als sie
     den

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