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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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eines der hohen Fenster, woraufhin alle aufschrien und Michalakis
     auf die Beine sprang, um Makarios und seinen Wachen durch den Westeingang zu folgen.
    Als Michalakis ins Tageslicht trat, sah er, wie die vier Männer vor ihm durch ein kleines Tor verschwanden. Sie kletterten
     den Abhang hinunter und liefen durch einen spärlichen Obstgarten, der nur aus ein paar Schösslingen bestand. Als sie die Straße
     erreichten, hielten sie ein vorbeikommendes Auto an. Michalakis beobachtete, wie der Fahrer mit erhobenen Händen ausstieg
     und die Wachen mit dem Präsidenten sich rasch hineinsetzten. Makarios nahm auf der Rückbank Platz und duckte sich sofort,
     so dass er nicht mehr zu sehen war. Für einen kurzen Moment überlegte Michalakis, selbst das Weite zu suchen, doch dann machte
     er kehrt und ging zurück zum Palast.
    Im Empfangssaal half er den Erwachsenen, die verängstigten Kinder zu beruhigen. Schließlich rückte er den Presseausweis gerade,
     der um seinen Hals hing, und wartete darauf, dass die Rebellen kamen und sie gehen ließen.
     
    Elena heulte vor Trauer und Wut. Speichel glänzte auf ihrem Kinn, und gewaltsam wehrte sie Tochter und Enkeltochter ab, die
     sich nach Kräften bemühten, sie zu beruhigen. Kratzend und beißend kämpfte sie gegen ihre Arme an und weinte für sich und
     für ganz Zypern. Alles war verloren, ihr Herz war gebrochen. Makarios war tot.
    Von Militärmusik begleitet brachte Radio Zypern die Nachricht seit 9 Uhr 15 wieder und wieder. Nach der zweiten Wiederholung
     kannte Elena den verräterischen Text auswendig, triumphierend hallte er in ihrem Kopf wider:
     
    Wir betonen, dass es sich um eine innere Angelegenheit unter Griechen handelt. Makarios ist tot. Waffen sollen abgegeben werden.
     Die Straßen sind für die Bevölkerung gesperrt. Wer zum Widerstand aufruft, wird sofort erschossen.
     
    Um 14 Uhr 50 war Nikos Sampson als Präsident der Republik vereidigt.
    Während Praxi und ihre Tochter der verzweifelten Elena ins Bett halfen, saßen nur wenige hundert Meter entfernt Loukis und
     Mehmet über einer Flasche Keo auf der Veranda des Bauern und verfolgten im Radio die weiteren Entwicklungen. Als Sampson verkündete,
     Zypern bleibe unabhängig und blockfrei, sahen sie sich an und erkannten Skepsis im Blick des anderen. Sampson war ehemaliges
     EOKA-Mitglied und Anführer eines Hinrichtungskommandos gewesen, und zu seinen Freunden zählte er den derzeitigen griechischen
     Militärdiktator. Noch bedenklicher war, dass er eine Privatmiliz angeführt hatte, die 1963 eine Reihe verabscheuungswürdiger
     Überfälle auf türkische Zyprer verübt hatte. Ein solcher Mann würde der Insel niemals Frieden bringen, und alles, was Loukis
     und Mehmet durchgemacht hatten, was ihre Leute erreicht hatten, schien binnen Sekunden davongetragen vom Wind dieses furchtbaren
     Wandels. Als die Männer eine neue Flasche Bier öffneten, machte sich Michalakis, eine Fahrtstunde von ihnen entfernt, auf
     den Heimweg.
    Das Feuergefecht im Palast hatte drei quälend lange Stunden angedauert. Die Kinder und ihre Betreuer waren freigelassen worden,
     während die uniformierten Angreifer ihre Stellung sicherten und Makarios’ treue Bedienstete entwaffneten. Michalakis hielt
     man weitere fünf Stunden fest. Er musste in einer Ecke auf Knien kauern und die Hände über dem Kopf halten. Den Schreien und
     Tränen der gefangenen Günstlinge des Palastes entnahm er die Bemühungen der griechischen Offiziere, den Aufenthaltsort des
     verschwundenen Präsidenten herauszufinden. Michalakis trug immer noch seinen Presseausweis um den Hals, der ihm jedoch nur
     wenig Schutz vor den wütenden Fäusten der Eroberer bot, die seine Zeitung nicht gerade hochschätzten. Er nahm zur Kenntnis,
     dass die zyprischen Soldaten immerhin den Anstand besaßen, ihm den Rücken zuzukehren, als die Griechen ihre Wut an seinem
     Körper ausließen. Nachdemdie Bombe von Makarios’ Tod geplatzt war, ließen sie Michalakis endlich frei. Unter Schock und von Schuldgefühlen geplagt,
     fuhr er heim. Er hätte mehr tun müssen, um den Präsidenten zu schützen, hätte eine Waffe ergreifen oder sich sonst irgendetwas
     einfallen lassen müssen, anstatt einfach nur zuzusehen.
    Im Rückspiegel erhaschte er einen Blick auf sein Gesicht. Sein rechtes Auge war geschwollen, seine Oberlippe an zwei Stellen
     aufgeplatzt – er sah so abscheulich aus, dass er kaum glauben konnte, dass er selbst es war, der ihm da entgegenblickte. Nichts
    

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