Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
Vom Netzwerk:
Langweile zu vertreiben, indem
     er Loukis in die Geheimnisse des Bombenbastelns einweihte. Toulla versorgte die Männer mit Essbarem, das ihre Mutter zubereitet
     hatte, und Antoniou und Harris verbreiteten unbeirrbar ihre abgebrühten Weisheiten. Ein furchtbarer Schreck riss sie kurzfristig
     aus der Monotonie dieser Tage: Die Besatzer stolperten beinahe über eines ihrer Verstecke. Mit schweren Stiefeln trampelten
     sie nichtsahnend um den Eingang des Tunnels herum, in dem sich drei gesuchte EOKA-Mitglie der verbargen. Ob nun Gott seine Finger im Spiel hatte, die Nachlässigkeit der Soldaten auf ihrer Seite war oder sie einfach
     Glück hatten, ließ sich nicht klären, jedenfalls blieb der kleine Trupp unentdeckt. In der Aufregung hatte Harris Loukis einePistole in die Hand gedrückt, und auch nach dem Zwischenfall verblieb die Waffe in Loukis’ Besitz – sie gehörte von nun an
     zu ihm wie seine zerschlissene Kleidung.
    Loukis hatte das Töten eines Menschen als patriotischen Akt immer abgelehnt, und er war überrascht, dass all seine Vorbehalte
     wie weggeblasen waren, wenn es um das eigene Überleben ging. Sollte er gezwungen sein, sich zu verteidigen, so wusste er jetzt,
     würde er keine Skrupel haben, sich den Weg freizuschießen. Oder im Kampf zu sterben. In den langen Nächten als Flüchtiger
     gab es sogar Momente, in denen er regelrecht hoffte, in einen Hinterhalt zu geraten, damit nur endlich Schluss mit der zermürbenden
     Unsicherheit wäre. Seltsamerweise wurde sein Leben erträglicher, als der Winter seine Krallen ausfuhr und Troodos unter einer
     Schneedecke verschwand: Nun konnten sie sich auf die Gastfreundschaft von Sympathisanten verlassen. Statt in Höhlen, verwitterten
     Ställen oder abgelegenen Schuppen zu frieren, erhielten sie Obdach in behaglichen Heimen, bekamen zu essen, bis sie satt waren,
     und wurden von mütterlichen Frauen umsorgt, die ihnen die verlauste Wäsche wuschen.
    »Es wird leichter mit der Zeit, wenn du weißt, was dich erwartet«, versicherte ihm Antoniou. »Als ich das erste Mal auf der
     Flucht war, war ich voller romantischer Vorstellungen und bereit, mir das Lebenslicht von einem Soldaten auspusten zu lassen.
     Im Laufe der Jahre hat sich dann herausgestellt, dass es wesentlich wahrscheinlicher ist, vor Langeweile oder an Unterkühlung
     zu sterben.«
    »Wollt ihr wissen, was mir am meisten zu schaffen macht?«, fragte Harris in die Runde. »Dass es hier keine Frauen gibt. Da
     kämpfen wir für unser geliebtes Zypern, sind praktisch Nationalhelden, und trotzdem beschränkt sich alles, was sich nachts
     an mich kuschelt, auf einen Haufen Waffen und meine zwei Eier! Was würde ich dafür geben, endlich wieder eine nackte Frau
     in den Armen zu halten, ihre zarten Küsse auf meinen Lippen und das drängende Verlangen ihres Körpers zu spüren.«
    »Wem sagst du das«, murmelte Antoniou.
    Loukis schwieg. Die drei Männer saßen splitterfasernackt vor einem knisternden Feuer und sahen ihren Kleidern beim Trocknen
     zu – ihm behagte weder die Situation noch die Unterhaltung.
     
    Dhespina nickte, als Georgios nach dem unberührten Teller griff.
    »Athena oder Apollo?«, fragte er lächelnd.
    »Athena«, sagte sie und spülte weiter das Geschirr ab.
    Es war das dritte Weihnachtsfest, wieder hatte Dhespina gehofft, dass ihr Sohn nach Hause zurückkehrte, und auch dieses dritte
     Mal war sie enttäuscht worden. Die Traurigkeit würde wohl nie ganz von ihr abfallen, dennoch sorgte Christakis’ Familienzuwachs
     für ein fröhliches Durcheinander und machte den Tag beinahe erträglich.
    »Das passiert, wenn man kein Radio im Haus hat«, warnte Michalakis seinen Bruder Marios und deutete auf Yianoulla, die, hochschwanger
     mit dem dritten Kind, ihre zwei kleinen Jungs zu bändigen versuchte.
    »Michalakis!«, rief Dhespina streng.
    »Das hat mit einem Radio nicht das Geringste zu tun, mein Lieber«, klärte Christakis seinen Bruder vergnügt auf. »Der Unterschied
     besteht einfach nur darin, ob man die Feder schwingt oder den Meißel.«
    »Christakis!«, kreischte Yianoulla, woraufhin die drei Brüder und ihr Vater in lautes Gelächter ausbrachen.
    Und auch wenn es nicht, wie sich alle am Tisch wünschten, Loukis war, der an diesem Abend an die Tür klopfte, so schneite
     doch ein kleines Weihnachtswunder herein: Dhespinas jüngere Schwester Lenya und ihr Mann verkündeten strahlend, dass sie endlich
     schwanger war.
    »Herzlichen Glückwunsch!«, jubelte Dhespina und

Weitere Kostenlose Bücher