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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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Es
     hatte wie eine Explosion geklungen, doch das musste noch lange nichts heißen … Es konnte alles gewesen sein … Er hatte nirgendwo
     irgendwelche Briten gesehen … Da waren Bauern gewesen … mit Knallkörpern … Knallkörper, um die Krähen zu verschrecken.
    Wie von Sinnen stürzte er durch den Wald. Äste peitschten ihm ins Gesicht und rissen an seiner Jacke. Da, da war das Versteck:
     Das Gestrüpp, mit dem sie den Eingang zu ihrer Höhle verdeckt hatten, war durcheinandergewirbelt, aus dem Loch quoll Rauch.
     Loukis ging in die Knie und duckte sich in die Öffnung. Augenblicklich stach ihm der Geruch von verbranntem Fleisch in die
     Nase. Im Dunkeln stolperte er über Toullas reglosen Körper. Ihre Augen waren vor Schreck weit aufgerissen, ihr Mund stand
     offen. Schrauben und Nägel hatten große Löcher in ihr Fleisch gerissen. Als Loukis über sie stieg, ließ ihn das Grauen des
     Anblicks, der ihn als Nächstes erwartete, soschwer würgen, dass er den Geschmack seines eigenen Erbrochenen hinunterschlucken musste. Auf dem Stuhl, auf dem Stelios mit
     seinen Bomben gespielt hatte, saß nur mehr der untere Teil eines Torsos, am Boden zuckten noch wild die abgetrennten Beine.
     Der Oberkörper, die Arme, der Kopf waren abgerissen, in einem grotesken Muster aus Blut, Muskeln und Knochen klebten sie an
     den feuchten Höhlenwänden. Gegenüber von Stelios röchelte Harris einige letzte Male, bis ihm das Metallstück, das aus seiner
     Luftröhre ragte, endgültig die Luft zum Atmen nahm.
    »Loukis?«
    Er fuhr herum. Am hinteren Ende der Höhle lag Antoniou zitternd im Dunkeln. Sein Bein war zerfetzt und sein Gesicht von Splittern
     übersät.
    »O Gott, Antoniou …« Der Ohnmacht nahe, wankte Loukis zu ihm hin.
    »Hau ab!«, befahl ihm der Mann mit letzter Kraft. Sein Körper zuckte unkontrolliert, und aus seinem Mund floss Blut. »Renn!
     Verschwinde! Du kannst hier nichts mehr tun. Die Besatzer … sie werden kommen. Los, raus hier!«, keuchte Antoniou abermals,
     als Loukis zusammenzubrechen drohte.
    Mit letzter Kraft rettete sich Loukis aus der Höhle des Grauens und floh. Er jagte durch den Wald, ohne irgendetwas um sich
     herum wahrzunehmen, sah nur die grässlichen Bilder vor sich: Toullas Gesicht, vor Entsetzen auf ewig zu einer Fratze verzerrt;
     Harris entstellt und im Sterben; Antonious letzte Zuckungen; und Stelios. Großer Gott, Stelios. Die Druckwelle hatte ihm die
     Beine vom Leib und die Hose von den Beinen gerissen, doch an den Füßen trug er immer noch die Schuhe, die ihm seine Mutter
     zu seinem letzten Geburtstag geschenkt hatte. Loukis musste würgen. Er rannte und rannte. Sein Herz trommelte in seiner Brust,
     und er spürte, wie Panik von ihm Besitz ergriff. Quälende Schmerzen spannten sich um seinen Schädel wie ein Schraubstock,
     den man immer fester zudrehte. Doch er rannte weiter, immer weiter. Hinter seinen Augenhämmerte sein Gehirn vor Fassungslosigkeit, er keuchte vor Schmerz und Anstrengung, bekam keine Luft mehr. Doch er rannte
     weiter. Er flehte Gott um Beistand an, er bekam keine Luft mehr. Er musste rennen, doch er bekam keine Luft mehr. Dann geriet
     er ins Stolpern und stürzte zu Boden. Während alles um ihn verschwamm, bohrten sich Baumwurzeln durch seine Kleidung und in
     seine Haut. Und dann bewegte er sich nicht mehr.
    Von weitem drangen Stimmen zu ihm. Doch die Welt hatte sich verfinstert, und das Hämmern in seinem Kopf übertönte alles –
     außer den Schreien, die sich seiner Kehle entrangen.
     
    In einem kleinen Haus, das Loukis einst sein Zuhause nannte, fuhr Dhespina aus dem Schlaf hoch. Georgios drehte sich erschrocken
     zu ihr um.
    »Was ist los, Dhespo? Was hast du?«
    »Loukis«, sagte sie. »Er kommt nach Hause.«

9
    Sämtliche Türen waren verschlossen, bis auf eine, und die schwang mit knarrenden Angeln auf. Dahinter bot sich ihm immer das
     gleiche Bild: Blut, Muskeln und schimmernde Knochen, ein zuckendes Augenlid und ein zahnloser Mund, geformt zu einem Schrei.
     Pulsierende Organe lagen auf dem Boden, herausgerissen aus Körpern, die er gekannt hatte. Er musste fort von hier. Ein Gang
     führte zu einer Eingangshalle, von der weitere Türen abgingen. Doch sie waren alle verschlossen, bis auf eine, und die schwang
     mit knarrenden Angeln auf und gab abermals den Blick auf seine Freunde frei: verstümmelt, blutend, tot. Loukis wusste, dass
     er träumte, doch er war gefangen in diesem Traum und konnte nicht aufwachen. Konnte nicht

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