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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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doch sie hatten auf ganzer Linie versagt.
    »Weißt du, ich hasse es, das zu sagen, aber die Türken haben uns nach allen Regeln der Kunst ausmanövriert«, erklärte Victor.
     »Während euer Präsident fleißig mit seinen politischen Winkelzügen beschäftigt ist, lassen sich die türkischen Zyprer vom
     Festland fröhlich mit Waffen beliefern. Sie ziehen sich in ihre Hochburgen zurück, praktizieren
taksim
sozusagen vor eurer Nase und liefern obendrein ihrem Mutterland einen Vorwand, sich einzuschalten und dabei auch noch laut
     ›Mord‹ und ›Verfolgung‹ zu rufen … Taten, die sie mit ihren eigenen Händen begehen!«
    »Wie verdammt verschlagen die sind«, sagte Yiannis. Ihm war bewusst, wie dämlich diese Bemerkung war, aber er konnte nichts
     dafür: Sein Geist war benebelt.
    »Diese ganze Propaganda«, fuhr Victor fort, »diese angeblichen Morde. Willst du wissen, wo die wirklichen Mörder sitzen? Ich
     werde dir sagen, wo: in den türkischen Elendsvierteln. Dort findest du die Waffen, an denen das Blut klebt. Wir wissen doch
     alle, dass diese Barbaren nicht lange fackeln würden, ihre eigenen Leute zu opfern, wenn sie dadurch ihre Ziele erreichten.«
    Yiannis nickte und schenkte ihnen Brandy nach. Sein Gesicht glühte regelrecht von dem ganzen Alkohol, den er sich aus lauter
     Vorfreude bereits genehmigt hatte, und er musste sich zwingen, seinen Blick von der feuchtglänzenden Unterlippe des Offiziers
     loszureißen.
    »Steht die Polizei noch hinter euch?«, fragte Yiannis.
    Victor lachte bitter auf. »Vorläufig ja, aber ich bezweifle, dass das noch lange der Fall sein wird. Euer Land ist in Gefahr,
     aber eure Führer haben nicht den Mumm, zu kämpfen.«
    »Wir können nicht auf sie verzichten!«, rief Yiannis besorgt. »Wir brauchen sie für die Verhandlungen und all das.«
    Victor prostete Yiannis zustimmend zu. Die Türken kontrollierten zwar die Passstraße, doch die griechischen Zyprer hatten
     unmittelbar reagiert und Keryneia gesichert; außerdem hatten sie zu Weihnachten eine Reihe türkisch-zyprischer Polizisten
     festgenommen, die nun als Geiseln dienten, die man töten würde, sollte die Türkei einmarschieren.
    »Das Problem ist«, sagte Victor und strich sich missmutig die Haare aus dem Gesicht, »dass
wir
als die Aggressoren gelten. Ich sage dir, Yiannis, die Türken und ihre ganze beschissene Brut machen das überaus geschickt.
     Die türkischen Zyprer kehren der Regierung wegen ein paar unbedeutender Verfassungsänderungen den Rücken und ziehen ihre Leute
     von Posten ab, mit der Behauptung, sie würden bedroht. Sie schicken Familien in Enklaven, um ihre Positionen zu stärken, sie
     bringen genau die Straße unter ihre Kontrolle, die strategisch am wichtigsten ist, und dann – das ist wirklich genial – schreien
     sie laut ›Opfer, Opfer‹, um sicherzustellen, dass Griechenland und Makarios vom Rest der Welt den Hintern versohlt bekommen.
     Und dass euer Präsident mit den Sowjets turtelt, macht es nicht besser. Amerika und seine Verbündeten werden ihre kostbaren
     Spionage-Stützpunkte niemals gefährden. Glaub mir, Makarios macht das alles komplett falsch.«
    »Wir brauchen Grivas«, stellte Yiannis fest und schenkte Victor zum vierten Mal an diesem Abend nach.
    »Vielleicht«, räumte Victor ein. »Auf alle Fälle brauchen wir einen Mann, der das Ziel nicht aus dem Blick verliert, wenn
     wir Zypern zurück in die Arme des Mutterlandes bringen wollen.« Er lächelte Yiannis zuversichtlich an, als er hinzufügte:
     »Unser Volk gehört zusammen.«
    Und mit diesen Worten beugte er sich vor und löste das Versprechen ein, auf das Yiannis so lange gewartet hatte.
     
    Über drei Wochen hinweg hatte Praxi immer wieder das Bewusstsein verloren und war von heftigen Fieberkrämpfen geschüttelt
     worden, die ihre Wangen tiefrot färbten. Als selbst derArzt nicht mehr wusste, was er tun sollte, bat Elena in ihrer Verzweiflung Dhespina um Hilfe, die mit feuchten Kräutern für
     die Wunden an Praxis Füßen und mit zwei Eimern herbeieilte, die sie umgehend mit Wasser füllte – so kalt wie Eis, und so warm
     wie der Sommer.
    Mit vereinten Kräften versuchten die beiden Frauen, Praxis Leid zu lindern, das Dhespina unbeirrt einen »Angstanfall« nannte.
     Elpida hüpfte aufgeregt zwischen ihren Beinen umher, und Elena krampfte sich jäh das Herz zusammen, als sie die Freude darüber
     auf dem liebenswürdigen Gesicht ihrer Freundin bemerkte. Als die Kleine ihre Großmutter ans Fenster

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