Schattenturm
würde.«
Donnie lachte.
»Tja, wir müssen los«, sagte Geoff. »Viel Glück, Duke.«
»Danke.«
Duke nahm seinen Helm und ließ seine Mutter auf der Tribüne zurück. In den Reihen vor ihr saßen Elternpaare; sie redeten und lachten und zeigten auf ihre Kinder am Spielfeldrand. Wanda beugte sich über ihre Füße, rieb über die blassroten Abdrücke, die sich gebildet hatten, und untersuchte den frischen roten Schorf auf ihren Fersen. Dann schob sie einen Fingernagel unter die harte, trockene Kruste und knibbelte sie ab. Schließlich blickte sie wieder zum Spielfeld und schaute auf die Anzeigetafel. Mittlerweile hatte das Spiel angefangen, und die Cougars lagen mit einem Punkt in Führung. Wanda beobachtete, wie ein Gegner einen Wurf von Duke abfing. Der Spieler rannte an Duke vorbei und grinste hämisch. »Das musst du noch üben, Schwachkopf !«, rief er.
In Duke stieg grelle Wut auf. Den Kopf gesenkt, rannte er wie ein Stier hinter dem Gegenspieler her und knallte ihm den Helm in die Nieren.
»Gut so, Dukey! Mach ihn zur Sau!«, rief Wanda, bevor sie ihren Fehler erkannte. Die Eltern verrenkten sich die Hälse, um einen Blick auf sie zu werfen.
Der Junge stürzte nach vorn aufs Spielfeld. Seine Schreie gellten über den ganzen Platz. Seine Mutter sprang auf und rannte zu ihm. Die Pfeife des Schiedsrichters schrillte, als er auf Duke losstürmte.
»Runter vom Platz, du Verrückter!«, fuhr der Schiedsrichter ihn an. »Du bist aus dem Spiel! Und wenn dem Jungen was passiert ist, bist du dran!«
Duke starrte ihn an und trottete vom Spielfeld. Er kam an seinem Trainer vorbei, der mit dem Finger auf ihn zeigte. »Zieh das Trikot aus und setz dich auf die Tribüne, du Irrer!«, brüllte er und eilte zum Schiedsrichter.
»Ich will nichts hören«, sagte der und hob eine Hand.
Die Stimme des Trainers war leise. »Was soll ich sagen, Mike? Tut mir Leid.«
»Gut zu wissen«, sagte Mike. »Der Junge ist nicht ganz dicht. Macht einen Gegner fast zum Krüppel!«
Die beiden blickten zur Tribüne und sahen Wanda, die Duke vor sich herschob und mit wiegenden Hüften durch die Reihen schritt.
»Das arme Schwein«, sagte der Trainer.
11.
»Ich habe einen Schrei gehört«, sagte Mae Miller.
»Haben wir von Ihnen nicht schon eine Aussage bekommen, Mrs Miller?«, fragte Frank.
»Nein. Ich war bis heute verreist und habe erst von der Sache gehört, als ich zurückkam. Und als Mitglied unseres Nachbarschaftsvereins weiß ich sehr gut, wie wichtig es ist, stets auf verdächtige Dinge zu achten und über besondere Vorkommnisse sofort zu berichten – was in diesem Fall bedeutet, gleich nach der Rückkehr von meiner Reise.«
Mae Miller war sechsundachtzig Jahre alt, eine schlanke Person in einem teuren, kastanienbraunen Wollkostüm mit orangefarbenem Kragen. Dazu trug sie braune Strümpfe und schwarze Lackpumps und war dezent geschminkt. Mae Miller hatte vierzig Jahre lang die Grundschüler in Mountcannon unterrichtet. Die meisten Kinder des Dorfes hatten im Alter von vier bis zwölf Jahren eingeschüchtert in ihrer Klasse gesessen.
»Es war am späten Freitagabend«, sagte Mae, setzte sich auf einen Stuhl neben der Tür und zog ihre grünen Lederhandschuhe aus. »Ich und Mrs Grant, Peteys Mutter, hatten bei einer Freundin in Annestown Bridge gespielt. Ich wusste, dass mein Sohn an dem Abend erst spät nach Hause kommen würde, also habe ich die Nacht bei den Grants verbracht. Wie Sie wissen, wohnt die Familie an der Ecke der Straße, die zum Haus der Lawsons führt, wo das vermisste Mädchen mit seiner Mutter wohnt.«
Frank nickte geduldig.
»Jedenfalls, ich war noch auf und habe in meinem Zimmer eine Tasse Tee getrunken«, fuhr Mae fort. »Dann ging ich ins Gästezimmer, das an der Straße liegt …«
»Haben Sie aus dem Fenster geschaut?«, fragte Frank. »Als Sie den Schrei hörten, meine ich.«
»Ja«, sagte Mae und nickte. »Ich habe zwei Personen gesehen, die die Straße aus dem Dorf hinunterliefen und auf das Haus zuhielten.«
»Männer? Frauen?«
»Einen Mann und eine Frau … junge Leute. Er war größer als sie.« Sie nickte knapp, wie zur Bestätigung.
»Haben Sie einen der beiden erkannt?«, fragte Frank.
»Sie kamen mir irgendwie bekannt vor, aber ich kann nicht mit Sicherheit sagen, dass das Mädchen Katie war.«
»Wie haben die beiden sich verhalten?«
»Vollkommen sorglos.«
»Und der Schrei, den Sie erwähnt haben?«
»Den habe ich gehört, nachdem ich aus dem Fenster gesehen
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