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Schattenturm

Schattenturm

Titel: Schattenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Barclay
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sodass niemand ihn sehen konnte.
    Mehrere Männer in schwarzen Taucheranzügen und weißen Atemgeräten standen auf der Hafenmauer und blickten ins Wasser. Die Boote schaukelten auf den Wellen und schlugen dumpf gegen die Betonmauer unterhalb der Taucher, von denen nun der erste an einem Seil ins Wasser glitt, ohne mit dem Kopf unterzutauchen. Dann streiften drei andere Taucher ihre Masken über, sprangen hinter ihm her und glitten unter die Boote.
    Martha Lawson, die mit ihrer Schwester am Rand des Hafenbeckens stand, tupfte sich mit einem Taschentuch die Augen und wandte den Blick ab, als befürchtete sie, die Männer würden im nächsten Augenblick irgendeinen entsetzlichen Fund aus der Tiefe holen.
    Die Taucher suchten unablässig das Hafenbecken ab, wobei sie ein kleines Boot als Basis für ihre Tauchgänge benutzten.
    Nachdem die meisten Schaulustigen gegangen waren, stand Shaun immer noch dort und beobachtete die Boote, die schäumenden Wogen und die hungrigen Möwen, die über seinen Kopf hinwegflogen. Die Geheimnisse des Hafens waren an diesem Abend nicht mehr dieselben wie drei Wochen zuvor mit Katie. Damals war es ein schöner Traum gewesen; diesmal war es ein Albtraum.
    Plötzlich hörte Shaun einen der Taucher etwas rufen. Der Mann hielt einen pinkfarbenen Turnschuh hoch, bevor er ihn in einen Plastikbeutel steckte. Der Anblick von Katies Turnschuh entfachte Shauns Schmerz aufs Neue. Er brach in Tränen aus.
    Victor Nicotero saß an seinem Schreibtisch. Er trug eine Strickjacke, deren Reißverschluss bis zum Hals zugezogen war. In der Hand hielt er eine kalte Dose Bier. Seine Frau Patti reichte ihm den Telefonhörer.
    »Hi, Nic.«
    »Hallo, Joe. Was liegt an?«
    »Ich brauche deinen Rat.«
    »Spuck’s aus.«
    »Okay. Ich will dir eine kleine Geschichte erzählen. Zwei Kerle aus derselben kleinen Stadt saßen im Knast – der eine war ein Kidnapper und Mörder, der andere ein Totschläger. Bevor die Burschen eingelocht wurden, war in der Gegend ein Serienkiller am Werk gewesen, der neun Frauen vergewaltigt und abgeschlachtet hatte, nachdem er sie wie Tiere gejagt hatte. Die Fälle wurden nie aufgeklärt. Jahre später wird der erste Knastbruder erschossen. Als der zweite aus dem Gefängnis kommt, wird zwei Monate später wieder ein Mädchen tot im Wald aufgefunden, und zwar dort, wo der Bursche sich aufhält. Inzwischen begeht der Polizeichef der Stadt Selbstmord. Er war Jahre zuvor Chef der Sondereinheit zur Aufklärung der Serienmorde.« Joe atmete durch. »Was hältst du von der Geschichte?«
    »Da würden bei mir sämtliche Alarmglocken läuten, Joe. Besonders, wenn das tote Mädchen im Wald die Freundin meines Sohnes wäre.«
    »Dich kann man nicht täuschen, Nic.« Einen Augenblick schwiegen die beiden. Dann fragte Joe: »Wie würde dir ein Trip nach Texas gefallen?«
    »Ich bin alt und brauche Wärme. Also sag ich ja. Und was soll ich tun?«
    »Ich möchte, dass du mit der Witwe des Polizeichefs sprichst, der sich erschossen hat. Der Mann heißt Ogden Parnum. Versuch alles über den Selbstmord und den Fall des Serienkillers herauszubekommen, an dem Parnum damals gearbeitet hat. Ich muss wissen, warum Parnum sich eine Kugel in den Kopf gejagt hat und welche Ermittlungsergebnisse bisher über den Frauenmörder vorliegen.«
    »Okay.«
    Nora Deegan stand vor einer Wand und betrachtete ein schlichtes Aquarell in grünen und roten Farbtönen.
    »Was meinst du?«, sagte sie zu Frank. »Es soll für die Ausstellung sein. Wie findest du ’s?«
    »Sehr schön«, sagte Frank abwesend. »Hör mal, Nora, bei der Gelegenheit könntest du mir einen Gefallen tun … ich meine, wenn du dich mit den Damen zu einem kleinen Kaffeeklatsch triffst.«
    »Worum geht es?«
    »Ich möchte, dass du gewisse Dinge ins rechte Licht rückst.«
    »Was meinst du damit?«
    »Die Lucchesis. Die ganze Stadt spricht über Shauns Verhör«, sagte er. »Aber der Junge hat nichts mit der Sache zu tun. Wenn er Katie ermordet hätte, säße er längst hinter Gittern. Er ist vollkommen fertig. Anna und Joe ebenso. Der arme Kerl wird fast verrückt. Er sieht schon Gespenster. Und diese E-Mail, die er bekommen hat … das ist zwar völliger Blödsinn, aber Joe geht vom Schlimmsten aus. Die Familie steht unter schrecklichem Druck. Könntest du nicht den richtigen Leuten das Richtige sagen?«
    Nora zog die Stirn in Falten.
    »Du bist die Frau des Polizeisergeanten, Liebling«, sagte Frank. »Dir wird man glauben.«
    Limonenduft erfüllte das

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