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Schattenturm

Schattenturm

Titel: Schattenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Barclay
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Gleichgewicht zu halten.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte Lara und ging auf ihn zu.
    Als Joe den Kopf hob, tanzten winzige Sterne vor seinen Augen.
    »Setzen Sie sich«, sagte Lara und zog einen Stuhl heran. »Geht es wieder?«
    Joe nickte mit verkrampfter Miene, bevor er einen Arm hob und seinen Nacken massierte.
    »Mir ist nur ein bisschen schwindelig«, sagte er. »Ich habe nichts gegessen.« Plötzlich riss er Laras Papierkorb hoch, begann zu würgen und spuckte Speichel auf die zerknüllten Papiere. Sein Gesicht brannte.
    »Ich hätte keinen Papierkorb aus Korbweide kaufen sollen«, sagte Lara.
    »Tut mir schrecklich Leid, Dr. McClatchie. Ich weiß wirklich nicht, wie …«
    »Haben Sie Magenprobleme? Sie sind kreidebleich.«
    »Nein. Ich habe nur nichts gegessen und Schmerztabletten genommen. Und Kaffee getrunken.«
    »Darf ich fragen, warum Sie Schmerztabletten nehmen? Oder ernähren sich alle Cops so?«
    Joe lachte gequält. »Die Antwort auf beide Fragen lautet ja. Ich habe Kopfschmerzen und Schmerzen im Kiefer. Manchmal tut es so weh, dass ich gar nichts essen kann. Wahrscheinlich ist mir deshalb schwindelig geworden.«
    »Was dagegen, wenn ich Sie untersuche?«, fragte Lara und streckte schon die Hände aus. Joe beugte sich zurück.
    »Sie verschwenden nur Ihre Zeit.«
    »Hier in meinem Büro habe ich das Sagen«, erwiderte Lara. Ohne auf seinen Widerstand einzugehen, drückte sie ihre kalten Daumen auf seine Nebenhöhlen, ließ sie über beide Wangen und dann über die Augenbrauen gleiten. Joe hielt den Atem an und wich dem Blick der Gerichtsmedizinerin aus.
    »Verzeihung«, sagte er und schob ihre Hand weg. »Ich bekomme keine Luft mehr.«
    »Ich habe nicht verlangt, dass Sie die Luft anhalten.«
    Joe warf einen verstohlenen Blick auf den Papierkorb.
    Lara lachte. »In meinem Reich riecht es schlimmer.«
    Schließlich ließ sie von ihm ab und setzte sich auf die Schreibtischkante.
    »Ihre Nebenhöhlen sind es nicht. Aber es schmerzt so sehr, dass Sie nichts essen können, sagen Sie? Wo genau tut es weh?«
    »Hier.« Joe strich mit den Fingern über die unteren Enden seiner Koteletten.
    »Hmmm«, machte Lara. Joe ließ die Hände sinken. Lara drückte die Daumen auf die Kiefergelenke.
    »Öffnen und schließen Sie den Mund«, sagte sie. »Spüren Sie etwas?«
    »Eine Art … Knistern«, sagte er.
    »Schmerzen?«
    »Nein, aber ich habe heute schon ein paar Schmerztabletten genommen.«
    »Okay. Schließt Ihr Kiefer richtig? Hören Sie es klicken?«
    »Ja.«
    »Bekommen Sie Schmerzen im Nacken und in den Wangen?«
    »Ja.«
    »Wurden bei Ihnen je Zahnschmerzen, Ohrenschmerzen oder eine Nebenhöhlenentzündung diagnostiziert?«
    »Ja. Hören Sie, Doktor, ich danke Ihnen für Ihre Mühe, aber ich muss jetzt wirklich los.«
    »Haben Sie sich je am Kiefer oder im Gesicht verletzt?«
    Vor Joes geistigem Auge flackerten Bilder auf: Raufereien in der Kindheit, ein Autounfall als Jugendlicher, eine Schlägerei in einer Kneipe während seines Abschieds vom Junggesellenleben, eine Tür, die ihm bei einer Razzia ins Gesicht geknallt wurde, eine Explosion …
    »Ja.«
    Lara trat zurück. »Zuerst die gute oder die schlechte Nachricht?«
    »Die schlechte.«
    Lara schüttelte den Kopf. »Pessimist?«
    »Ich gehe immer sofort von einer Katastrophe aus.«
    »Ich bin nicht Ihr Hausarzt und kann deshalb nur Vermutungen anstellen. Es könnten zwei Dinge sein: eine Art Gesichtsneuralgie oder eher eine Funktionsstörung des Kiefergelenks. Dieses Gelenk sorgt dafür, dass Sie den Kiefer öffnen und schließen können. Was eine Funktionsstörung ist, werden Sie als Amerikaner wissen.«
    Lara McClatchie war um einen kleinen Scherz nie verlegen.
    »Ich tippe eher auf eine Funktionsstörung des Kiefergelenks«, fuhr sie dann fort. »Ich kenne die Symptome, zumal mein Bruder daran leidet.«
    Lara musterte ihn einen Augenblick. »Warum habe ich den Eindruck, als hätten Sie sich mit dieser Störung abgefunden?«
    Joe schwieg.
    »Sie wussten es bereits, nicht wahr?«
    »Ich glaube schon.«
    »Und warum haben Sie nichts unternommen?«
    »Ich war zu beschäftigt.«
    »Sie sollten sich wirklich die Zeit nehmen, sich behandeln zu lassen. Ihr Gehirn verschwendet eine Menge Energie für diese Gelenkstörung. Und das Problem wird schlimmer, wenn Sie unter Stress stehen, was angesichts der momentanen Lage der Fall zu sein scheint. Man würde Ihnen einfach eine Schiene verschreiben, die Sie immer oder nur nachts tragen. Es gibt noch andere

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