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Schattenwanderer

Schattenwanderer

Titel: Schattenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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gezaubert, als ich in die Werkstatt gekommen bin. Er hat etwas mit dem Schlüssel gemacht.«
    »Das braucht uns nicht zu kümmern. Sollen sich die Schamanen damit befassen. Hat er den Orks gedient?«
    »Eher umgekehrt«, ächzte Elodssa, während er Midla den Gang hinuntertrug. »Sie haben ihm gedient.«
    »Wie das? Die Orks haben noch nie einer niederen Rasse gedient.«
    »Diese fünf schon. Ist dir aufgefallen, dass sie kein Klanszeichen trugen?«
    »Ja. All das ist seltsam.«
    »Eben.«
    »Was willst du jetzt tun?«
    »Den Gnomen oder den Zwergen von dem Vorfall berichten und diese Stollen verlassen.«
    »Und anschließend?«
    »Anschließend?« Elodssa dachte einen Augenblick lang nach. »Anschließend werde ich meinem Vater den Schlüssel übergeben und einige der alten Gesetze ändern, und zwar ohne Rücksicht darauf, was das Oberhaupt des Hauses davon hält.«
    »Und welche?«, fragte Midla.
    »Die, die es dem Sohn des Königs verbieten, eine Späherin zu heiraten. Ist das in deinem Sinne?«
    Midla bedeutete Elodssa mit einem Lächeln, von ihrer Seite sei in dieser Frage nicht mit Einwänden zu rechnen. Keiner der beiden bemerkte in diesem Augenblick, dass tief im Schlüssel, der in der Tasche des Elfen lag, noch immer schwach ein purpurroter Funke glomm.

Kapitel 22

    Gespräche im Feuer
    Viele glauben, es gebe im Dunkel kein Leben. Das ist aber ein Irrtum. Vielleicht nimmt man in der endlosen Leere des Nichts das Leben nicht so gut wahr wie in unserer buntscheckigen Welt, aber dass es auch dort Leben gibt, steht außer Frage. Überall können für den Bruchteil einer Sekunde mit einem verzweifelten Quietschen Türen aufgehen – und den Weg ins Unbekannte freigeben.
    Doch die Welt ändert sich unablässig. Schon nach ein paar Jahrhunderten wird es jene Türen nicht mehr geben, die mich noch in Dunkelheit und Stille einsperren. Kein Geräusch, kein Hauch, kein Funke Licht dringt zu mir vor.
    Ich hing in der Leere und hatte Träume. Viele Träume. Schöne und zugleich schreckliche Träume. Träume, in denen ich nur ein Beobachter war, Träume, in denen ich Abertausende von Leben durchlebte, Träume, die Wirklichkeit waren, und Träume, die nur Träume waren. Wieder und wieder zogen sie herauf, lösten einander ab wie die farbenprächtigen Bilder in dem Kaleidoskop, das ich in den fernen Tagen meiner Kindheit einmal besessen hatte. Träume, die zu nichts verpflichteten, Träume, über die nachzudenken es sich lohnte, Träume, die aus meinem Gedächtnis verschwanden, sobald sie endeten, und neuen, ganz anderen Träumen wichen.
    Wie lange dauerten die Träume? Ich glaube, nicht länger als eine Ewigkeit, und selbst die endet irgendwann. Freilich hat die Ewigkeit ebenso wie die Träume eine unangenehme Eigenschaft: Beide enden zur Unzeit. Nach nur wenigen Jahrhunderten, die mich jedoch wie Minuten dünkten, gebar das Dunkel die ersten purpurroten Funken. Es waren die Kinder eines gigantischen und für mich bisher nicht auszumachenden Feuers. Sie stiegen aus der Tiefe auf, flogen wie funkelnde Kohlestückchen nach oben, dorthin, wo zuvor meine Träume verschwunden waren. Die Funken wirbelten hoch hinauf, flackerten noch einmal zum Abschied, ehe sie dahinschmolzen, gefressen vom hungrigen Dunkel.
    Einer der Funken flog auf mich zu, schaukelte kurz vor meinem Gesicht, um sich dann in eine flammende Schneeflocke zu verwandeln, langsam im Dunkel zu kreiseln und wieder hinabzusegeln. Unwillkürlich streckte ich die Hand aus, die heiße Flocke setzte sich auf sie und schmolz. Mein Handteller brannte in leichtem Frost. Die Feuerflocke war kälter als Eis.
    Es kamen immer mehr Schneefunken, und sie flogen immer schneller, stiegen nicht länger nur aus der Tiefe nach oben auf, sondern schossen auch horizontal dahin, als jagte sie ein rauer Wind. Zuweilen, wenn der Feuerschnee furchtbar zunahm, wirbelten die Flocken in einem flammenden Sturm durcheinander. In diesen Minuten tauchten vor meinen Augen Bilder aus der Vergangenheit auf.
    Nachdem eine weitere Ewigkeit verstrichen war, blähte sich das Dunkel an einer Stelle und vergilbte, wie Papier eingilbt, wenn man es über die Flamme einer Kerze hält. Dann platzte es. Zungen aus purpurrotem Feuer tanzten hoch. Immer mehr Zungen. Schon bald hatte das Feuer das Dunkel verschlungen und füllte nunmehr den ganzen Raum meines endlosen Traums.
    Das purpurrote Feuer machte kein einziges Geräusch, von ihm ging keine Hitze aus. Mich fröstelte, als mir eine ungewöhnlich kühne

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