Schattenwandler 03. Elijah
spät dran und hatte keine Gelegenheit mehr gehabt, sich astral auf Noah auszurichten und ihm mitzuteilen, wo Legna sich befand, für den Fall …
… nur für den Fall.
„Ich spüre, dass du auf mich wartest, Heiler.“
Die Lautstärke der Stimme in seinen Gedanken war künstlich erhöht und verursachte ihm ungewöhnliche Qualen. In diesem Moment erkannte er, wie mächtig sein Feind bereits geworden war. Nie zuvor hatte sich ein Dämon außerhalb eines Pentagramms in den Schwarzen Künsten geübt. Gideon hätte nie erwartet, dass es eine solche Wirkung haben würde und dass seine Macht so groß geworden war. Aber es war eine zerstörerische Kraft, das konnte er fühlen, riechen. Der dunkle Makel des Zaubers hatte sich über Ruths Seele gelegt, während sie mit dem Aufflackern eines seltsamen dunklen Lichts Gestalt annahm.
Gideon richtete sich zu voller Größe auf und blickte mit zu Schlitzen verengten Augen auf die dreiste Hexe, die es wagte, sein Zuhause und seine Familie zu bedrohen. Doch wie immer beherrschte er sich. Er hatte in den tausend Jahren seines Lebens gelernt, dass man sein eigenes Todesurteil unterschrieb, wenn man im Angesicht eines Kampfes den Kopf verlor und sich von seinen Gefühlen hinreißen ließ.
„Ruth“, empfing er sie kalt. „Nicht einmal du kannst so verrückt sein.“
Ruth schien ihm keine Beachtung zu schenken. Sie legte den Kopf in den Nacken und blickte neugierig zur Decke empor.
„Du schläfst an Samhain ohne deine Frau?“ Sie gab ein spöttisches Zischen von sich. „Soll ich etwa glauben, dass sie gar nicht hier ist? Du hast recht, so verrückt bin ich nicht.“
Die Augen der kühlen blonden Frau wanderten sinnend über den Urältesten, ihr Blick verriet Begehrlichkeit. Ihr üppiger Körper bog sich, sendete Signale aus, die früher einmal ziemlich verführerisch gewesen waren und es womöglich immer noch wären, wenn sie nicht diesen Weg eingeschlagen hätte und nun gierig daran festhielt. Jetzt war sie so tückisch wie eine Giftschlange und zweifellos genauso tödlich, wie sie schön war.
„Ich war früher mal schrecklich scharf auf dich“, gestand sie belustigt. „Du warst so mächtig. Und so gut aussehend.“ Ruth fuhr sich in einer eindeutigen und geübten Geste mit der Hand über ihre geschmeidige Hüfte. „Weiß deine Frau in ihrem Versteck eigentlich, dass wir damals auf Beltane zusammen waren?“
„Das ist dreihundert Jahre her“, sagte Gideon in unverändert neutralem Tonfall. „Und wenn ich mich recht erinnere, gab es zu der Zeit nicht besonders viele Frauen unter uns.“
Ruth machte ein Gesicht, als wäre sie geschlagen worden, und im Endeffekt war sie das auch. Doch eine Sekunde später glühte ihr Gesicht rot vor Wut.
„Was fällt dir ein?“, zischte sie. „Du bist damals durchaus auf deine Kosten gekommen! Auch du kannst das nicht abstreiten!“
Gideon überließ sie ihrem Zorn. Er war entschlossen, sich weiter auf die Macht vor den Mauern seines Heims zu konzentrieren, die sich selbst angesichts seiner Fähigkeiten für sein Empfinden viel zu schnell sammelte. Er hatte gut daran getan, Legna vor denen da draußen zu verstecken. Ruth würde nie herausfinden, was er mit seiner Frau gemacht hatte; ganz so mächtig war sie doch nicht. Dennoch war seine Gefährtin verwundbar, so wie er sie, um ihre Anwesenheit zu verschleiern, da oben in einem todesähnlichen Zustand zurückgelassen hatte. Wenn dieser Zustand nicht innerhalb einer Stunde wieder rückgängig gemacht wurde, wären sie und das Baby in größter Gefahr. Doch um sie aus der Erstarrung zurückzuholen, musste er am Leben bleiben und aus diesem Gefecht als Sieger hervorgehen.
Aber die Chancen schwanden mit jeder neuen Präsenz, die er spürte. Gideon war stark, aber nicht gegen das, was jetzt mit jeder Minute immer wahrscheinlicher wurde. Er hätte es besser wissen müssen. Er hätte Legna niemals an einen Ort bringen dürfen, den Ruth ohne viel Einfallsreichtum ausfindig machen konnte. Doch für Selbstvorwürfe war später noch Zeit.
„Ruth, hat dein Besuch auch noch einen anderen Zweck, als die Erinnerung an einen kleinen Ausrutscher hinter irgendeinem Gebüsch aus deinem früheren Leben hervorzukramen? Er sah sie mit zu Schlitzen verengten eisigen Silberaugen an. „Muss es wohl, denn du kannst nicht so dumm sein und es mit mir aufnehmen wollen.“
„Genau das habe ich vor. Ich bin mächtiger, als du dir vorstellen kannst, Gideon. Und ich bin nicht allein.“
„Verzeih mir,
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