Schattenwandler 03. Elijah
Es erfüllte ihn mit Stolz, zu beobachten, wie sie die bisher so halsstarrigen Angehörigen dieser Spezies um den Finger wickelte. Dass sie schwanger war, verstärkte nur deren Eifer, ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Aber er wusste, dass sie, wenn die Nacht zu Ende ging und wenn der Morgen graute, in sein Bett kommen würde und nicht in das eines anderen.
Auch als einige Damen am Hof genauso freundlich und offen zu ihm traten, konnte er spüren, wie ihr Blick auf ihm ruhte. Er bewegte sich nicht so sicher auf dem Parkett, und er war nicht so diplomatisch wie seine Frau, aber das bewirkte irgendwie, dass er umso gefragter war. Er war erstaunt über diese ihm ohne sein Zutun entgegengebrachte Aufmerksamkeit, bis seine Frau sich dazu herabließ, ihm den Grund dafür zu erklären. Offenbar fanden sie ihn geheimnisvoll. Und das war für sie irgendwie attraktiv.
Gideon war so überlegen und so direkt wie immer, als er sich durch seine Bewunderer hindurcharbeitete. Er spürte, dass ihn die Königin von dem Moment an, als sie ihn bemerkt hatte, aufmerksam beobachtete. Die Menge um ihn teilte sich, als sie von ihrem Thron aufstand, wo sie sich mit ihren Beraterinnen Anya und Syreena unterhalten hatte.
Sie sah schrecklich blass aus, und es war klar, dass sie nicht gut schlafen konnte. Ja, überhaupt nicht, dachte er, während er sie mit seinen scharfen Sinnen maß. Sie stieg die Stufen des Thronpodestes herab und dann von der Plattform darunter in die Haupthalle. Sie trug ein festliches bauchfreies Goldgewand mit einem reich bestickten Bolerojäckchen. Der dazu passende lange Rock saß sehr tief auf ihren Hüften und bestand aus einem halben Dutzend Stoffbahnen, die hinter ihr herflatterten, während sie auf ihn zuging.
Sie streckte ihm die Hände entgegen, und die mit Diamanten besetzten Goldreifen um ihren linken Oberarm funkelten im Deckenlicht. Er nahm ihre ausgestreckten Hände und neigte den Kopf mit einer eleganten Verbeugung. Sie reckte sich vor, um ihn mit einer seltenen Geste öffentlicher Zuneigung auf die Wange zu küssen, und flüsterte ihm durch das erstaunte und fragende Raunen der Menge zu: „Könnt Ihr mir je vergeben? Ich habe mich benommen wie ein kleines Kind.“
„Das stimmt nicht. Ihr wart durcheinander, und ich kann gut verstehen, warum.“
Ihr Kuss war eine ganz besondere Ehre an diesem Hofe. Dass sie ihm diese Ehre erwies, veränderte seine dortige Position und damit auch die seiner Frau. Damit waren sie nicht mehr nur ausländische Botschafter und etwas Faszinierendes und Seltsames, sondern wurden als persönliche Freunde Ihrer Majestät angesehen.
„Ihr möchtet gern für Euren Heerführer die Werbetrommel rühren, vermute ich“, sagte sie listig, nachdem sie ihn kurz prüfend gemustert hatte.
„Ich glaube, es könnte Euch interessieren, was ich Euch mitzuteilen habe. Ich würde vorschlagen, dass Ihr mich anhört.“
„Offenbar sind meine Ratgeberinnen einverstanden“, meinte sie und wies mit der Hand auf Syreena und Anya, die die Köpfe zusammensteckten und miteinander tuschelten, während sie sie beobachteten. Siena hakte sich bei Gideon unter, und er führte sie durch die sich teilende Menge. „Habt Ihr Myriad gesehen, als Ihr Euren König besucht habt?“, fragte sie im Plauderton, um Smalltalk zu machen, solange sie sich in Hörweite der anderen befanden.
„Eure Botschafterin kommt oft ins Schloss. Ich glaube, dass sie und Noah inzwischen Rivalen am Schachbrett sind.“
Siena lachte, und dieser Laut schien ihre Erscheinung aufleuchten zu lassen.
„Myriad ist ziemlich dickköpfig. Sie wird nicht aufgeben, bis sie ihn besiegt“, bemerkte sie.
„Ich bitte um Verzeihung“, sagte Gideon sanft, „aber ich glaube, es ist Noah, der Euer kleines Halbblut zu besiegen versucht.“
„Wirklich?“, lachte Siena wieder, und ihre goldgelben Augen funkelten belustigt. „Kluges Kind. Ich wusste, es war richtig, sie an Euren Hof zu schicken. Ich hoffe nur, dass sie Noah nicht so verärgert, dass er wieder den Krieg erklärt.“
Gideon lächelte, als sie ihn von den Leuten wegführte, die sich im Thronsaal und in den Vorräumen drängten, und mit ihm in die entlegeneren Bereiche des endlosen Gebäudes schlenderte. Sie brach als Erste das Schweigen, das zwischen ihnen entstanden war.
„Wenn Ihr gekommen seid, um mich darauf hinzuweisen, wie sinnlos mein Widerstand gegen diese Prägung ist, dann kann ich Euch versichern, dass ich das schon allmählich kapiere. Ich bin nicht
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