Schattenwandler 03. Elijah

ich selbst, und ich weiß, dass man das merkt.“ Sie hielt inne, und Gideon ließ ihr Zeit zu entscheiden, was sie ihm anvertrauen wollte. „Ich verstehe nicht, wie Ihr und Eure Frau das so genießen könnt. Immer wenn ich sie sehe, strahlt sie, sie ist schön und lächelt. Bei Eurem Witz habe ich übrigens zum ersten Mal wieder lachen können, seit ich zurück am Hof bin.“
    „Am Anfang, als Legna und ich ganz aufeinander geprägt wurden“, begann der Heiler, „waren wir nicht gerade das, was man beste Freunde nennen würde. Ehrlich gesagt, haben wir uns wegen eines Vorfalls, bei dem ihr Stolz verletzt worden ist, fast zehn Jahre lang feindselig gegeneinander verhalten. Es war meine Schuld, weil mein Gefühl dafür, was richtig war und was falsch, gestört war. Von dem Augenblick an, wo wir geprägt waren, wussten wir aber, dass wir uns lieben würden und dass wir unvermeidlich ein Paar werden würden, und zwar für den Rest unseres Lebens. Wir haben das verstanden, weil es für uns Dämonen Teil unserer Geschichte und weil es in unserer Physiologie so angelegt ist, auch wenn Prägungen bis vor Kurzem nur ganz selten vorgekommen sind. Zum Glück gab es eine Sache, die wir kontrollieren konnten, und zwar die Zeit, die wir uns nehmen wollten, um die Probleme zwischen uns zu lösen und um uns kennenzulernen, bevor Beltane uns zusammengezwungen hat. Diese Vorbereitungszeit war sehr wichtig und sehr wertvoll, Siena. Ich bin mir sicher, dass wir sonst viel länger gebraucht hätten, um zueinanderzufinden.
    Samhain wird Euch und Elijah zusammenzwingen, das garantiere ich Euch. Ich sehe doch, wie sich der Drang in Euch aufbaut, während der Zeitpunkt näher kommt. Bei Elijah zeigt es sich auch. Lassen wir die Folgen für unsere Gesellschaft und für die Eure einmal beiseite, aber ich versichere Euch, dass Ihr am Morgen nach Samhain neben ihm aufwachen werdet, auch wenn Ihr noch so sehr dagegen ankämpft.“
    „Ihr sagt mir, ich soll die Folgen für die Gesellschaft einmal beiseitelassen, aber das kann ich nicht. Alles, was mich betrifft, betrifft auch mein Volk.“ Siena biss sich auf die Lippen. „Außerdem bin ich keine Dämonin. Ihr habt noch nie etwas von dieser besonderen Kreuzung gehört. Ihr sagt, man kann nicht dagegen ankämpfen, aber ich bin kein gewöhnliches Wesen.“
    „Ich auch nicht“, rief der Urälteste ihr mit sachlicher Stimme in Erinnerung und blickte mit seinen quecksilbergrauen Augen in ihre goldgelben Augen. „Siena, Ihr habt nach einer langen und engen Bekanntschaft mit mir gelernt, darauf zu vertrauen, dass ich die Wahrheit sage. Und nach den fünfundzwanzig Jahren, die Ihr mich jetzt kennt, habt Ihr auf einmal Zweifel an mir?“
    Er sah, wie sie eine Hand auf die Stirn presste, ohne dass sich ihr Gang änderte. Er spürte ihre Qual, und er sah, wie es in ihrem Kopf schmerzhaft hämmerte. Es beunruhigte ihn, dass er immer noch so wenig über die physiologischen Abläufe im Körper der Lykanthropen wusste, um ihr wirklich helfen zu können. Er hatte die fünf Jahre Gefangenschaft und das vergangene halbe Jahr damit verbracht, sich mit den Grundlagen ihrer Physiologie vertraut zu machen. Aber er würde noch fünf Jahre Studium brauchen, bis er Fortschritte in der Heilung von Angehörigen dieser komplexen Spezies erzielen konnte. Menschen und Dämonen waren eine Sache, aber die Körperchemie eines Gestaltwandlers, seine DNA und die Wandlungsfähigkeit seines Leibs waren so vielschichtig, dass sie zu heilen die größte Herausforderung war, der sich der äußerst erfahrene Heiler je gegenübergesehen hatte.
    Hier war eine höhere Macht am Werk, die sich ihrem Einfluss entzog, auch wenn sie noch so mächtig werden würden.
    Mein Liebster …
    Ja, Schatz?, fragte er die zarte, helle Präsenz in seinem Bewusstsein.
    Du musst ihr etwas sagen, was sie hören will, sagte Legna verständig. Es liegt dir nicht, indirekt zu sein. Sie befolgt keine Vorschriften. Sie wird nur offen sein für mögliche Lösungen. Siena kann Frau und Königin nicht trennen. Sie hat ihre Weiblichkeit brutal unterdrückt, aus Angst, den Thron teilen zu müssen und die Kontrolle über ihre Umgebung zu verlieren. Darum ist sie jetzt so entsetzt.
    Gideon wusste, dass Legna die Situation viel besser verstand als jeder andere. Als Geistdämon besaß Legna ein erstaunliches psychologisches Einfühlungsvermögen, das seit ihrer Paarung, durch die ihre Kräfte sich miteinander verbunden hatten, exponentiell gewachsen war.
    „Sagt