Schattenwandler 04. Damien
und blickte unwillkürlich zu seiner Frau hinunter. Es war ihm anzusehen, dass er sich Sorgen um sie machte.
Das genügte, um sogar die abgebrühte Vampirin zu berühren.
Damien riss die Augen auf, und seine Pupillen zogen sich rasch zusammen in dem hellen Licht, das ihn umgab. Er schrak hoch, beunruhigt, ob er im Sonnenlicht erwacht war.
Einen Augenblick später spürte er, wie sanfte Hände auf seinem Rücken ihn drängten, sich wieder hinzulegen in dem warmen und behaglichen Bett, in dem er geschlafen hatte. Er fuhr herum, um zu sehen, wer ihn da berührte, und instinktiv zeigte er seine Fangzähne und stieß ein Fauchen aus.
Das junge Mädchen schrie panisch auf, sprang von ihrem Stuhl hoch, sodass der umfiel, und stolperte rückwärts von ihm weg.
„Keine Angst, Lyric“, beruhigte eine leise, sanfte Stimme das Mädchen, während ausgestreckte Hände sie festhielten. „Er tut dir nichts. Oder, Damien?“
Damien stutzte, als er seinen Namen hörte, und drehte sich um, um sein neues Ziel ins Auge zu fassen. Er erkannte sie sofort. „Windsong?“
„Ja, Damien.“
Zwei Sekunden lang war er wie erstarrt, während sein Gehirn versuchte, alle Informationen, die es auf einen Schlag bekam, zu verarbeiten. Es war schwierig, nicht nur weil er unter Schock stand, sondern auch, weil Windsongs Stimme ein natürliches Hypnosemittel war. Der einlullende Reiz einer Sirenenstimme war zur einen Hälfte Schönheit und Talent und zur anderen ein mentaler Trick. Ein Vampir in seinem Alter und mit seinen Fähigkeiten war immun gegen die Gedankenbeeinflussung, doch hatte die Stimme einer Mistral stets eine gewisse Wirkung, der er sich nicht entziehen konnte. Nicht, solange die Absichten der Mistral gut waren.
„Entschuldigung!“, sagte er zu dem Mädchen, das er so erschreckt hatte, bevor er sich mit einem Seufzer unendlicher Erleichterung zurücksinken ließ.
In Sicherheit. Endlich!
Er erinnerte sich, dass sie absichtlich in den Wäldern in der Nähe von Brise Lumineuse gelandet waren. Er hatte vorgehabt, Schutz zu suchen, falls er ihn brauchte, und nur dann. Anscheinend hatte Windsong gewusst, dass er nicht mehr dazu in der Lage war, aus eigener Kraft zu ihr zu kommen.
Windsong wusste solche Dinge immer irgendwie.
„Tut mir leid, Lyric“, sagte er noch einmal, diesmal viel aufrichtiger. Er warf Windsong einen Blick zu und richtete seine Augen dann auf das kleine dunkelhaarige Mädchen. „Dein Lehrling in diesem Jahrhundert, nehme ich an.“
„Ja“, sagte Windsong. „Wie fühlst du dich?“
„Müde“, antwortete er automatisch und bemerkte erst dann, dass es tatsächlich stimmte. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sich zuletzt so erschöpft gefühlt hatte. Es war nicht das Schwächegefühl, das einen befiel, wenn man zu lange keine Nahrung aufgenommen hatte, etwas, was er viel häufiger erlebte, falls häufig überhaupt das treffende Wort war. Es war eine Müdigkeit wi e … wie damals, als er noch einen Blutkreislauf, Sauerstoff und ein schlagendes Herz gebraucht hatte, um sich am Leben zu erhalten.
Wie alle Vampire brauchte er diese Erhaltungssysteme seit seinem hundertsten Jahr etwa nicht mehr. Jetzt nutzte er sie nur noch aus reiner Gewohnheit, so ähnlich wie Blinzeln oder Atmen. Es waren diese nicht benötigten Funktionen, die den Mythos geschaffen hatten, Vampire seien der wandelnde Tod. In Wirklichkeit war es so, dass ihr Körper, wenn sie älter wurden, einen neuen Weg fand, sich zu versorgen, während er gleichzeitig mehr Energie erzeugte. Es war eine evolutionäre Leistung und der Grund dafür, dass sie als Spezies so vorherrschend waren. Ihr Gehirn arbeitete auf einem höheren Niveau, es gab ihnen größere sensorische Fähigkeiten, die Macht, Gedanken anderer zu beeinflussen, und die Fähigkeit, sich allein auf mentalen Befehl hin in die Luft zu erheben und zu fliegen. Ganz zu schweigen davon, dass der Heilungsprozess bei allen Schattenwandlern sehr schnell vonstattenging.
Offensichtlich hatte er das lebensgefährliche Experiment, Lykanthropenblut in sich aufzunehmen, überlebt. Seine bemerkenswerte Fähigkeit, sich von fast jeder Verletzung zu erholen, war die eigentliche, wahre Gnade.
Trotzdem würde er es nicht so schnell wieder tun.
Er konnte sich noch gut an die Schmerzen erinnern und wusste, dass die ihn noch eine Weile verfolgen würden. Wie ein Kind musste er nicht zweimal in eine Flamme fassen, um seine Lektion zu lernen.
Er fühlte sich bleischwer, doch er musste keinen
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