Schattenwandler 05. Noah
also nicht nur metaphorisch gemeint?«
Die Art und Weise, wie sie die Augen zu ihm aufschlug und den Mund zu einem schiefen Lächeln verzog, erleichterte ihn so sehr, dass er es wagte, seine Lippen auf ihre Schläfe zu pressen.
»Ich bin nicht der metaphorische Typ, Baby«, sagte er zu ihr.
Kes blickte wieder zu dem Heiler hin. »Danke. Für das, was du getan hast. Ich hatte schon sehr lange keinen Asthmaanfall mehr.«
»Er wurde durch die Panik und die extreme Hitze ausgelöst, der du anscheinend ausgesetzt warst.« Obwohl Gideon Noah nicht ansah, konnte der König den Tadel spüren. Sie hätte sofort zum Arzt gehen müssen , dachte Gideon. »Aber ich bin froh, dir sagen zu können, dass es wahrscheinlich der letzte war. Durch meine Heilmethoden und die Veränderungen in deinem Körper bist du nicht mehr anfällig. Dein Körper wird viele deiner Schwächen und alten Verletzungen umarbeiten, wenn du eine Druidin wirst. Deine Fähigkeit zu heilen hat sich schon verbessert, wenn auch erst zu einem Bruchteil von dem, was noch kommen wird.«
Als Gideon den Satz beendete, huschte ein Ausdruck über sein Gesicht, der ihr bereits seinen nächsten Gedanken verriet. Sein Kopf und seine Augen bewegten sich beinahe unmerklich, doch als er mit den Fingern von der Hüfte zu ihrem Unterleib glitt, begriff sie. Seine Finger suchten ihre Narbe, und ihr Herz krampfte sich zusammen unter der Wucht der Empfindungen. Wieder Furcht. Grauen. Schmerz und Verlust. Doch am schlimmsten war dieser Hoffnungsschimmer, ein heftiges Aufwallen, das sie von sich selbst gar nicht erwartet hätte. Sie versuchte sich dagegen zu wehren, wandte das Gesicht ab, vergrub es an Noahs Brust, während sich ihre Finger in den Stoff seines Hemds krallten.
»Nein.«
Es war ein Wimmern, und ihr Schmerz verursachte Noah Qualen. Er sah die Bewegung von Gideons Fingerspitzen und kämpfte gegen einen heftigen Impuls an. Die Berührung war zu intim. Eifersucht. Sie tat Kestra weh. Beschützerinstinkt. Sie löste die Erinnerung an das Trauma und die Verbindung zum Bösen aus, die ihrer beider Verstand mit zerstörerischen Gedanken erfüllte. Groll. Zorn. Das dringende Bedürfnis, zurückzuschlagen, die Quelle für alle Zeit zu zerstören.
»Nein.«
Diesmal war es Gideon, der das Wort aussprach.
Es klang bestimmt und schroff, eine Warnung an den König und dessen emotionalen Aufruhr und eine Zurückweisung der Hand, die sich um Gideons Handgelenk legen wollte. In seinem Zustand würde Noah Gideons Knochen zu Staub zermalmen, nur damit er aufhörte, seiner Gemahlin wehzutun.
»Woher stammt diese Narbe?«, fragte Gideon Kestra, die bereits abwehrend den Kopf schüttelte. »Es ist eine sehr alte Verletzung. Du musst noch ziemlich jung gewesen sein. Man hat deinen Uterus gerettet, aber du hast einen Eierstock verloren. Trotzdem ist es mit einer solchen Narbe unmöglich, ein Kind zu gebären.«
Kestra schluchzte, als Gideon ihr dunkelstes Geheimnis lüftete. Noahs tödlicher Griff um Gideons Handgelenk löste sich wie Staub im Wind. Kestra stieß ein Wehklagen aus, es war ein schrecklicher Aufschrei aus Trauer und Schmerz, anders als alles, was er je gehört hatte. Es durchbohrte ihn wie tausend Dolche, brannte auf seiner Haut wie die Sonne. Er umklammerte sie noch fester, zog sie an sein klopfendes Herz, während er ihren Kopf in seiner Hand wiegte. Er spürte ihre heißen Tränen auf seiner Haut am Kragen. Dann lachte sie ein kleines, wildes Lachen an seinem Hals.
»Bist du bereit für die Ewigkeit?«, fragte sie mit heißem Flüstern. »Bist du bereit, ein König ohne Thronerbe zu sein? Ein Mann ohne Hoffnung auf ein Kind? Wirst du mich noch immer mit dieser wunderbaren, selbstvergessenen Leidenschaft betrachten? Oder wirst du mich ansehen wie alle anderen – als gebrochen und verkrüppelt?«
»Kestra«, sagte er mit leisem, vorwurfsvollem Schmerz. »Ich bin für eine einzige Sache bereit, und das bist du. Du gehörst zu mir. Du bist ein Teil von mir.« Noah warf dem Heiler einen strengen Blick zu, doch Gideon zog sich bereits zurück. Legna war in seinem Geist und sog ihn mit einem schnappenden Geräusch, verursacht durch die Teleportation, aus dem Raum.
»Lies meine Gedanken, Baby, und versuch mich zu verstehen«, drängte Noah Kestra sanft. »Ich habe immer gedacht, dass ich eines Tages ein Kind haben würde, doch ich lebe seit über sechshundert Jahren ohne ein Kind und habe es nie als großen Mangel empfunden, weil mein Zuhause buchstäblich
Weitere Kostenlose Bücher