Schattenwandler: Adam (German Edition)

übermächtigen Vaters aufwachte, ohne irgendetwas vorweisen zu können.
    Nach Leahs Meinung lag es vermutlich daran, dass die Frau sie gerettet hatte. Sie war wirklich ihre Heldin. Jasmine war stark und mächtig, sie hatte den Ruf, knallhart zu sein, und sie kleidete sich mit solcher Selbstsicherheit und solcher Extravaganz. Sie war einfach nicht zu übersehen.
    Doch da war auf einmal etwas in ihren Augen, etwas, das Leah nie mit Jasmine in Verbindung gebracht hätte.
    Verletzlichkeit.
    »Kannst du es?«, fragte Jasmine.
    »K-kann ich was?«
    »Du weißt, was ich meine!«, sagte sie ungeduldig. Sie fasste Leah am Kinn. »Wenn ich in der Zeit zurückgehen und eine Sache ändern könnte, würde ich dafür sorgen, dass Prinz Damien niemals Prinzessin Syreena getroffen hätte.« Sie holte tief Atem und schloss die Augen, während sie langsam wieder ausatmete. »Doch das wäre ziemlich selbstsüchtig. Etwas, womit ich nur ihm und mir helfen würde. Na ja, wenn man es recht bedenkt, vielleicht auch ihr. Aber du …« Jasmine starrte Leah an, und Leah spürte die manipulierende Kraft der Vampirin. Es war, als würde man in eine seltsame Wärme gehüllt, in etwas Sicheres und Geborgenes. »Kannst du es? Hast du die Fähigkeit dazu?«
    Leah nickte nur.
    »Nein«, hauchte Jasmine, während ein schmerzerfüllter Ausdruck über ihr Gesicht huschte. »Die Vergangenheit muss so bleiben, wie sie ist. Hast du verstanden, kleines Mischlingsmädchen? Du kannst nicht mit der Zeit spielen! Du wirst Leute zerstören und andere quälen. Du könntest alles noch tausendmal schlimmer machen, als es jetzt ist! Pfusch bloß nicht in der Vergangenheit herum!«
    Leah bekam Angst, als die starke Vampirin so zornig mit ihr sprach. Das war kein moralischer Appell, wie sie ihn von ihren anderen Mentoren oft zu hören bekam. Die waren andauernd darauf herumgeritten, was für eine ungeheure Verantwortung mit ihrem Element einherging. Es gab keinen anderen Zeitdämonen auf der Welt, und es hatte auch noch nie zuvor welche gegeben. Sie war eine Vorreiterin. Doch Elijah bemühte sich, ihr zu vermitteln, dass sie etwas nicht nur deswegen tun sollte, weil sie es konnte. Er erzählte ihr, dass er sich in einen Hurrikan der Stufe vier verwandeln und alles um sich herum zerstören konnte, aber dass das nicht hieß, dass er es auch tat.
    Mit der Zeit herumzuspielen, konnte schrecklichen Schaden anrichten. Ein paar davon würden sofort sichtbar, andere würden sich erst nach Jahren zeigen.
    »Ich dachte nur …«, erwiderte Leah schwach. »Wenn ich vielleicht nur für eine Minute …«
    Das Mädchen brach beinahe in Tränen aus, versuchte jedoch sogleich, seine Schwäche vor Jasmine zu verbergen. Die Vampirin wurde ein wenig weicher; sie verstand sehr gut, warum die Teenager-Dämonin ihre Geschichte gern verändern würde.
    Wie Jasmine selbst gesagt hatte, würde auch sie gewisse Dinge gern verändern, Leute retten – Leute beschützen. Doch es lag nicht in ihrer Macht, in die Vergangenheit zurückzukehren und die Welt so zu gestalten, wie sie es für richtig hielt.
    »Die Vorstellung, uns ein perfektes Leben zu schaffen, indem wir alles Mögliche in unserer Vergangenheit manipulieren, ist gefährlich«, sagte Jasmine sanft. »Du kannst damit vielleicht deine Eltern retten, doch könnte das Elijah das Leben kosten und die politische Stabilität der Schattenwandler zerstören, oder – ich weiß nicht – was sonst noch. Ich denke, du hast diese Fähigkeiten aus einem bestimmten Grund bekommen, vielleicht weil du bestimmte Augenblicke in der Zeit verändern sollst, um eine bessere Zukunft zu schaffen, aber du bist noch zu jung, um eine solche Entscheidung zu treffen. Und du solltest sie auf keinen Fall allein treffen. Deine Fähigkeit ist neu. Du weißt noch gar nicht, was du eines Tages alles damit machen kannst. Zumindest muss ich dich bitten, zu warten. Schau einfach, was die Zeit bringt. Hab Geduld.«
    Das war keine unvernünftige Bitte.
    Sie war nur unerträglich.
    Leah nickte mit gerötetem Gesicht und tränenüberströmt. Jasmine konnte den Zorn des jungen Mädchens spüren. Er war wie eine mächtige Sturmflut. Es wühlte sie heftig auf, als Leahs Pläne plötzlich an den Felsen von Verantwortung und Moral zerschellten.
    Seltsam, dass ausgerechnet Jasmine sie über Zurückhaltung und Verantwortung belehrte. Vampire waren nicht gerade bekannt dafür, dass sie sich an die Regeln hielten und sich anständig benahmen.
    Doch Jasmine hatte zu viel Schaden