Schattenwende
hilfreich, wenn sie auf etwas Spannendes stoßen würde, das sie von ihren ständigen Grübeleien ablenken könnte.
Daphne strich sich eine Haarsträhne zurück, die sich aus ihrem nachlässig gebundenen Zopf gelöst hatte. Sie trug lediglich eine weiße Trainingshose und ein einfaches rotes Top. Für einen DVD-Abend reichte ihr das aus.
Sie war nicht wie andere Frauen in ihrem Alter, deren Gedanken sich nur um Mode, Partys und Männer drehten. All das interessierte Daphne nicht.
Der Mittelpunkt ihres Lebens war seit fünf Jahren Halie. Ein Kind zu haben, bedeutete Verantwortung zu übernehmen und viel Energie aufzuwenden. Da blieb keine Zeit, mit Freundinnen wegzugehen, außer in sehr seltenen Ausnahmefällen, wenn Janet sich geradezu aufdrängte, auf Halie aufzupassen. Den Rest ihrer Familie kümmerte es nicht, was aus ihr und ihrer Tochter wurde. Dabei war ihr Vater Harper Weston ein sehr erfolgreicher Bauunternehmer, weshalb ihre Eltern mehr als wohlhabend waren. Janet und Daphne hatten in ihrer Kindheit nichts missen müssen, hatten gute Schulen besucht und immer alles bekommen, was sie brauchten. Zumindest in materieller Hinsicht.
Doch wenn es um Liebe und elterliche Zuneigung ging, hatten ihre Eltern auf ganzer Linie versagt. Solange Daphne die brave, folgsame Tochter gespielt hatte, waren ihre Eltern freundlich und liebenswürdig gewesen. Doch als sie in das Alter gekommen war, in dem sich ihr eigenerWille entwickelt hatte und sie sich in immer mehr Belangen von ihren Eltern unterschied, begannen die Probleme und sie lernte die intolerante Seite ihrer Erzeuger kennen. Ursprünglich hatte Daphne aufgrund ihrer schulischen Bestleistungen die Firma ihres Vaters übernehmen sollen. Doch Daphne weigerte sich. Für das Unternehmen hatte sie nichts übrig. Stattdessen hatte sie begonnen, Tiermedizin zu studieren, was ihr Vater wiederum nicht nachvollziehen und schon gar nicht tolerieren wollte.
Ab dem Punkt entzogen Harper und Rose ihr jegliche finanzielle Unterstützung und sie konnte zusehen, wo sie blieb. Sie nahm sich ein Einzimmerappartement und jobbte.
Bis sie Anthony kennenlernte, in dem sie die große Liebe gefunden zu haben glaubte. Er arbeitete als Manager in einer großen Marketingfirma und verdiente viel Geld. Daphne zog zu ihm, und alles schien gut zu werden.
Doch nach ein paar Monaten wurde sie schwanger, ungeplant, und der bislang charmante, zuvorkommende Anthony zeigte sein wahres Gesicht. Wutentbrannt warf er sie aus dem Haus und sie saß wieder auf der Straße. Ohne jegliche finanzielle Unterstützung sah sie sich gezwungen, ihr Studium aufzugeben und stattdessen für ihre Tochter da zu sein. In dem Moment als sie mit gepacktem Koffer und einem Kind in ihrem Bauch auf der Straße stand, schwor sie sich, ihr Leben allein auf die Reihe zu kriegen und sich nie wieder auf jemand anderen zu verlassen.
Daphne rieb sich mit den Fingerspitzen über ihre sacht pochenden Schläfen und lehnte ihren Kopf gegen die Sofakissen. Sie war so unglaublich müde und erschöpft von ihrem einsamen Kampf. Alles in ihr schrie danach, abzuhauen und irgendwo ganz neu anzufangen. Doch sie wollte ihre Tochter nicht aus dem gewohnten Umfeld wegreißen. Von ihrer Schule, ihren Freunden und der winzigen Familie, die sie hier hatte. Sie rieb sich die Augen und schaltete per Fernbedienung den Fernseher aus. Die plötzliche Dunkelheit erschreckte sie und sie spähte angestrengt in die Finsternis.
„Ich werde langsam echt paranoid“, murmelte sie und zog die Decke von sich, um aufzustehen und sich ins Bett zu begeben.
Als sie sich umdrehte und zu dem Fenster blickte, unter dem ihr Bett stand, erstarrte sie zu Eis. Der schwache, aber breite Lichtstreifen, den derMond eben noch ins Zimmer geworfen hatte, war fast völlig von einem schwarzen Schatten verdeckt, der das große Fenster beinahe gänzlich ausfüllte.
„Weißt du, was das für ein Gefühl war, als ich zu deiner Wohnung kam und sie leer vorfand?“
Die dunkle, fast zornige Stimme ließ den Raum erzittern.
Daphnes Herzschlag setzte für ein, zwei Takte einfach aus, und sie erbleichte.
Reagan hatte nur nach dem Rechten sehen wollen. Seit dem Vorfall mit Dwight hatte niemand mehr nach Daphne geschaut und als Liyanerin hatte sie Anspruch auf Schutz, auch wenn sie das nicht wusste.
Aus einem ihm unbekannten Grund wollte er ihre Sicherheit keinem der anderen Krieger anvertrauen. Er wollte diese Aufgabe selbst übernehmen. Umso größer war sein Schock gewesen, als
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