Schattenwende
Regenbogenaugen und Reißzähnen, die selbstredend eine Frau, Freundin oder was weiß ich was haben, fantasiere“, dachte sie.
„Aber, aber“, sprach die Frau und riss Daphne abrupt aus ihren abstrusen Gedankengängen.
„Ich wusste ja, dass Sie hier sind. Ich habe mich nur gerade etwas erschrocken, dass ich Sie so allein und verlassen im Wohnzimmer auffinde.“
„Sie wussten, dass ich hier bin?“, wiederholte Daphne verblüfft.
„Ja“, nickte die Frau und lächelte warm.
„Was halten Sie davon, wenn Sie mir in die Küche folgen und wir uns bei einer Tasse Kaffee unterhalten?“, erkundigte sich die andere nach einigen Sekunden des Schweigens.
„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Ich muss eigentlich nach Hause“, erwiderte Daphne zögernd. Janet und Halie warteten gewiss schon ungeduldig auf ihre Rückkehr.
„Wenn Sie nicht möchten, will ich Sie auch nicht dazu drängen. Doch ich dachte, ich könnte Ihnen vielleicht ein paar Fragen beantworten.“
Der Blick der Rothaarigen war durchdringend, offen und ehrlich. Etwas darin kam ihr vertraut war, doch sie stand zu weit von ihr entfernt, als dass sie den Grund dafür hätte erkennen können.
„Okay. Ein paar Minuten habe ich“, sagte Daphne schließlich. Sie war sich nicht sicher, aber für einen kurzen Moment glaubte sie, ein freudiges Strahlen in den Katzenaugen der Frau gesehen zu haben. Bevor sie genauer hinsehen konnte, war es verschwunden. Ein höfliches, zuvorkommendes Lächeln blieb zurück.
„Dann folgen Sie mir doch bitte. Der Kaffee ist schon aufgesetzt und wird gleich fertig sein.“
Mit einem mulmigen aber auch erwartungsvollen Gefühl kam Daphne der Bitte nach, durchquerte das geräumige Wohnzimmer und betrat die angrenzende Küche. Sobald sie einen Fuß über die Schwelle gesetzt hatte, riss sie erstaunt die Augen auf. Ganz im Gegensatz zum Rest des Hauses – modern, verschwenderisch und atmosphärisch starr und kalt – war dieser Raum klein, warm und urgemütlich.
Daphne fühlte sich sofort wohl. Ein Ofen stand mitten im Raum und strahlte eine angenehme Hitze aus, die sich sogleich in ihren Gliedern ausbreitete. Die Holzmöbel waren allesamt sorgsam ausgewählt und sehr elegant und harmonierten in ihrer dunklen Schlichtheit gut miteinander. Sie verliehen dem Raum eine behagliche Stimmung.
„Ich habe Reagan schon gesagt, dass Daphne ein schöner Name ist. Ihre Eltern müssen lange nach einem außergewöhnlichen Namen gesucht haben?“
Die Rothaarige stand an eine Arbeitsplatte gelehnt vor ihr und lächelte sie neugierig an. Die Frage kam überraschend für Daphne und sie brauchte einige Augenblicke, ehe sie sich zu einer Antwort durchringen konnte.
„Meine Eltern fanden, dass er edel klingt.“
Daphne zuckte gleichgültig die Schultern. Sie glaubte nicht, dass Rose und Harper sich über die Bedeutung ihres Namens großartige Gedanken gemacht hatten. Ihnen war allein der Klang wichtig, der von ihrer Herkunft zeugen sollte.
„Schade.“
Die Stimme ihres Gegenübers wurde leise, fast schon bedauernd, als begreife sie das, was Daphne nicht ausgesprochen hatte. Sie drehte sich um, griff nach einer Kanne und goss dampfenden Kaffee in zwei Tassen. Zusammen mit Milch und Zucker stellte sie diese auf dem Tisch ab und setzte sich zu Daphne.
„Oh, verzeihen Sie mir. Wo wir gerade von Namen sprechen. Ich habe Ihnen meinen noch gar nicht verraten. Wie unhöflich von mir.“
Sie runzelte die Stirn, als sei sie verärgert über ihr eigenes Verhalten.
„Macht doch nichts“, beschwichtigte Daphne sie sofort und erwiderte das aufblitzende Lächeln der Frau zögernd. Aus irgendeinem Grund wolltesie nicht, dass diese Frau, die solch eine ungewöhnliche Herzlichkeit ausstrahlte, wütend auf sich selbst war.
„Ich bin Ria“, sagte sie und schaute Daphne offen an. „Und ich wünsche mir sehr, bald Ihre Freundin zu sein.“
Daphne brauchte einen Moment, um den Sinn dieser Worte zu verstehen.
Freundin? Diese rothaarige Schönheit, die irgendwie zu Reagan gehörte – wie genau, das wollte Daphne sich gar nicht vorstellen – wollte ihre Freundin sein?
„Warum?“, stammelte sie und schüttelte verwirrt den Kopf.
„Ich habe schon lange niemanden getroffen, der so ist wie ich, Daphne. Symbolträger sind so unglaublich selten geworden, dass wir kaum noch welche zu Gesicht bekommen. Es gibt gewiss einige, aber deren Existenz kommt erst ans Licht, wenn sie von einem Vampir entdeckt werden. Sie glauben gar nicht, wie froh
Weitere Kostenlose Bücher