Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenwende

Schattenwende

Titel: Schattenwende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Seck
Vom Netzwerk:
die Couch. Im Gegensatz zu ihr war er anscheinend vollkommen unbefangen und ließ sich von Dwights finsterem Gesichtsausdruck nicht im Geringsten beeindrucken. Er lächelte sie sogar aufmunternd an.
    Dwight zuckte die Schultern und ließ sich für seine Größe sehr behände auf den Boden sinken. Er positionierte sich im Schneidersitz und winkte sie zu sich.
    „Komm her. Setz dich zu mir, damit wir endlich anfangen können und nicht noch mehr meiner wertvollen Zeit verschwenden.“
    Cayden warf ihr einen mitleidigen Blick zu, als sie sich widerstrebend erhob. Es war ihr nicht wohl dabei, dem Vampir so nah zu kommen, aber es führte wohl kein Weg daran vorbei. Er würde wissen, was er tat. Sie ließ sich vor ihm nieder und faltete die Hände in ihrem Schoß.
    Dwights eisige Augen suchten ihre und hielten sie gefangen, sie fühlte sich wie hypnotisiert. Er begann zu sprechen und es klang, als leiere er einen auswendig gelernten Text herunter, so gleichgültig war sein Tonfall.
    „Stell dir das Bewusstsein eines Vampirs wie einen ständig fließenden Strom vor. Er fließt in einem konstant wiederkehrenden Kreislauf durch seinen Körper und versorgt ihn mit der zum Leben notwendigen Energie. Es ist wie ein seichter, gold-schimmernder Nebel aus Licht. Empathen wie du können ihn sehen, können diesen Lebensfluss erkennen, seine Stärke und Kraft ausmachen.“
    Dwights zischende Stimme wurde leiser und überraschend sanft. Sie wiegte Daphne ein und umhüllte ihren Geist. Eine seltsame Ruhe erfüllte sie.
    „An diesem Strom kannst du alles festmachen. Wenn jemand traurig ist oder Schmerzen hat, glüht er nur schwach, zieht seinen Kreis in einem trägen, zähen Rhythmus. Ist er voller Freude, fließt er schnell und stark und zeigt sich in all seiner goldenen Pracht.“
    „Wie kann ich ihn sehen?“, fragte sie ehrfürchtig.
    „Indem du jemanden berührst und dich öffnest. Was du spürst, wenn du von Menschen oder gar Vampiren umgeben bist … Freude, Glück, Qual, Enttäuschung … All die Emotionen, die du wahrnimmst, wenn du ein Wesen passierst … Dies ist nur ein schwacher Abglanz dessen, was du wirklich fühlen kannst. Wenn du deine Schutzmauern sinken lässt und dich dem Anderen geistig hingeben kannst, wirst du ihn in seiner Gänze erfassen können. Natürlich musst du dann das Risiko eingehen, anderen ungeschützt gegenüber zu treten. Das macht Empathen verletzlich.“
    Daphne hob den Kopf und blickte den mit leerer Miene vor ihr sitzenden Vampir an, der doch durch und durch eine unbekämpfbare Boshaftigkeit ausstrahlte. Und sie fragte sich, ob er so geworden war, weil er nicht mehr verletzlich sein wollte.
    „Ich verstehe“, murmelte sie. Eine tiefe Traurigkeit überkam sie. Sie war versucht, ihre Hand auszustrecken und die Leere, die sie auch ohne ihn zu berühren erahnen konnte, in Dwights Seele mit Leben zu füllen. Sie litt nicht mit ihm, denn er empfand kein Leiden mehr, aber sie litt für ihn.
    Als er fortfuhr, klangen seine Worte hart.
    „Du kannst mit deiner Gabe in diesen Strom eintauchen. Du wirst eins mit der Person, mit der du dich verbunden hast, und kannst ihren Fluss verfolgen, dich von ihm treiben lassen, und alle Verzweigungen entdecken, die zu unterdrückten Gefühlen oder Erinnerungen führen. Jedes einzelne Stück des Bewusstseins kannst du ausfindig machen und ans Tageslicht befördern, sogar wenn derjenige es selbst schon längst vergessen hat. Für den Betreffenden wäre diese Prozedur angenehm und er würde keinen Schmerz empfinden. Doch der Preis, den du dafür bezahlen musst, könnte hoch sein. Nicht wenige Empathen haben bei solchen Experimenten ihr eigenes Ich verloren. Gerade wenn der Energiefluss sprudelt und tost, ist es gefährlich, denn man könnte in seinen Wellen untergehen. Man würde einfach sang- und klanglos verschwinden und niemals mehr aus der Trance, in die man sich begeben hat, erwachen.“
    Daphne ließ sich Dwights Schilderungen genau durch den Kopf gehen und eine dunkle Ahnung beschlich sie.
    „Und was geschieht, wenn man es nicht so macht, wie du es beschreibst? Wenn man sich hinter seinen Barrieren versteckt hält und nur einen Teil vorschickt, um in einen fremden Geist einzudringen?“, fragte sie scharf.
    Dwight lächelte unterkühlt und zuckte seine Schultern.
    „Das könnte schmerzhaft werden“, antwortete er abweisend und wandte sein kaltes Gesicht Cayden zu.
    „Komm her“, befahl er. „Daphne probiert an dir nun aus, was ich ihr erklärt

Weitere Kostenlose Bücher