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Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rauchhaus
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musste er uns dabei behandeln wie Goldmarie und Pechmarie?
    »Beginnen Sie jetzt bitte mit Ihrer Prüfung des Freskos, was immer Sie damit machen wollen. In drei Stunden sprechen wir alles Schritt für Schritt durch. Wenn Sie noch Fragen haben – ich bin in meinem Arbeitszimmer.«
    »Drei Stunden?«, formten meine Lippen lautlos.
    Als die Tür sich hinter ihm schloss, funkelte Anna mich an. »Wie hast du es geschafft, dass er dir die Leitung überträgt?«, zischte sie wütend.
    »Die Leitung?«, gab ich zurück. »Du meinst, ich bin dein Palettenhalter. Ich mach deine Wand sauber – und du übernimmst die Kunst.«
    Anna zuckte mit den Schultern. »Ich gehe mal in die Küche und sehe nach, ob man da noch einen Kaffee bekommen kann. Dann zeigst du mir, worauf man bei einem Fresko achten muss.«
    Aha, und jetzt hatte ich auch herausgefunden, warum sie mich noch brauchte!
    Noch immer aufgewühlt griff ich in meine Tasche und holte die Notizbücher meines Vaters heraus, die ich als Arbeitshilfe mitgebracht hatte. Darin hatte er mit seiner gestochenen Handschrift aufgeschrieben, wie man ein Gemälde analysierte, worauf man achten sollte und mit welchen Mitteln man die Verschmutzungen reinigte. Diese Aufzeichnungen hatten mir in den letzten Wochen vorseinem Tod sehr geholfen, als er mir immer mehr seiner Arbeit überließ. Außerdem tat es gut, diese alten Kladden zu berühren. Etwas von ihm war noch da, um mir Rat zu geben.
    Ich vertiefte mich in das rot gebundene Buch, worin viel über die erste Analyse stand. Obwohl ich schon oft darin gelesen hatte, wollte ich sichergehen, dass ich nichts vergaß. Und bis Anna wiederkam, hatte ich meine innere Ruhe zurück, die ich für die Arbeit brauchte.
    Gemeinsam bauten wir die Tageslichtlampe auf und schritten das Fresko langsam ab. Anna schrieb, während ich mit meiner Lupe näher heranging, um die Kanten der Tagwerke genau festzulegen, oder gelegentlich mit einem Spatel an die Wand klopfte, um Hohlräume aufzuspüren. Außerdem versuchte ich mir ein Bild zu machen über den Grad der Verschmutzungen. An einer Stelle blieb Anna plötzlich verblüfft stehen.
    »Oha!«, sagte sie und gab schließlich ein Prusten von sich. »Dieser Auftrag steckt ja voller Überraschungen.«
    Ich folgte ihrem Blick. »Du meinst die Armbanduhr? Ist sie dir noch nicht aufgefallen? Da hat sich wohl jemand einen Scherz erlaubt.«
    »Und wer?«, fragte Anna und nahm mir die Lupe ab, um die Stelle genauer zu betrachten. »Der Maler des Originals kann es wohl kaum gewesen sein, wenn das Bild wirklich aus dem fünfzehnten Jahrhundert stammt.«
    Ich nickte. »Die Uhr muss entweder der letzte Restaurator hinzugefügt haben oder eine andere Person, die Zugang zu dem Bild hatte.«
    »Aber warum?«
    Genau das fragte ich mich auch. »Wir sollten in dennächsten Tagen auf weitere Unstimmigkeiten achten«, schlug ich vor. »Vielleicht kommen wir dem Rätsel so auf die Spur.«
    »Rätsel?« Anna schnaubte. »Meinst du nicht, dass jemand, der Gesichter in einem alten Fresko ändern lässt, es auch lustig finden würde, wenn etwas Modernes darin vorkommt? Dein Rätsel ist eher ein Kneipenwitz.«
    So sicher wie Anna war ich mir nicht. Irgendetwas anderes gab es da noch, aber ich kam einfach nicht dahinter, was. Die Perspektive? Oder waren es die Proportionen? Das Licht?
    Konzentriert arbeiteten wir weiter. Während Anna notierte, zog ich die Kamera aus der Reisetasche und begann zu fotografieren. Es war wichtig für die Arbeit, das Werk im Urzustand immer wieder vor Augen zu haben. Später würde ich die Fotos auf meinen Laptop übertragen und direkt im Bild die fehlerhaften Stellen einzeichnen.
    Als wir alles erfasst und eine Skizze davon angefertigt hatten, kam Cyriel zu uns herein. Auf die Minute pünktlich, die drei Stunden waren um. Gewissenhaft prüfte er unsere Notizen und verglich sie an einigen Stellen mit dem Original. Unsere Arbeit gefiel ihm wohl, er nickte anerkennend.
    »Also können Sie nach dem Mittagessen schon anfangen?«
    »Gern«, erwiderte Anna schnell. »Werden Sie denn mit uns essen? Dann könnten wir vielleicht die Details besprechen.«
    Cyriel schüttelte den Kopf, während er mit dem Fingernagel über einen kleinen schwarzen Fleck auf einem der Bogenfenster kratzte.
    »Ich esse meistens bei der Arbeit eine Kleinigkeit. Tut mir leid, ich glaube nicht, dass ich Ihnen heute Gesellschaft leisten kann.«
    Als er die Existenz des Flecks mit unserem Protokoll verglichen hatte, verschwand er wieder

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